Politik

Lebensgefährliches Spiel

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Ein Stadtteil geht auf die Barrikaden. Mehr und mehr Bürgerinnen und Bürger schließen sich in Billstedt dem Kampf gegen den Bau eines Spielhallenkomplexes in die Möllner Landstraße an (Mittendrin berichtete). Neben der Stadtteilinitiative „Hallo Billstedt“, haben jetzt auch der Bürgerverein Billstedt und die Kinder- und Jugendverein „BilleKidz“ angekündigt die Proteste gegen weitere Spielhallen und Wettbüros zu unterstützen. Die Zahl der Spielhallengegner wächst stetig. Argumente gegen den Neubau gibt es genügend. In einer Informationsveranstaltung mit Experten zum Thema Spielhallen und Spielsucht verdeutlichten die Grünen am Dienstagabend die Gefahren des Glücksspiels.

Das Suchtpotential des Glücksspiels wird von Experten als erheblich eingestuft. „Jeder, der sich einem Suchtmittel aussetzt ist gefährdet“, sagt Gisela Alberti, Leiterin der Aktiven Suchthilfe Hamburg. „Ich kenne jedoch keine Suchtform bei der man so schnell alles andere ausblendet, als bei der Spielsucht“. Die Zahlen sind erschreckend. Von 2007 bis 2011 wird allein bei der Gruppe der 18 bis 20 Jährigen eine Verdreifachung der Spielsüchtigen verzeichnet. Das Einstiegsalter beginnt bereits bei 16 Jahren und zeigt, dass die Kontrolle des Jugendschutzes oft sehr nachlässig betrieben wird. Einher mit der Sucht geht sehr häufig ein hoher Anteil an Beschaffungskriminalität. Familien und Freunde leiden so auch materiell unter der Krankheit. „Geld ist für den Spielsüchtigen, was Schnaps für den Alkoholiker ist“, sagt Alberti. „Ein Suchtkranker setzt alles daran sich mehr zu beschaffen“.

Soziale Bedingungen führen häufig in die Sucht. „Besonders männliche Jugendliche sind gefährdet, da es immer weniger Beschäftigungsalternativen gibt“, sagt Alberti. Die Schließung von Jugendtreffs und anderen Einrichtungen sei somit ein Faktor für die starke Zunahme der Sucht bei Jugendlichen. Junge Menschen mit Migrationshintergrund scheinen besonders durch soziale Ausgrenzung betroffen zu sein und wenden sich dem Glücksspiel zu. Gisela Alberti kennt viele Beispiele, bei denen Schulabbruch oder Ausbildungsplatzmangel zum Glücksspiel geführt haben. „Das ist für uns doch die einzige Chance reich zu werden“, erzählte ein junger Migrant der Suchtberaterin.

Die Gefahren des Glücksspiels sind ausreichend dokumentiert. Dennoch werden häufig nur wenige Maßnahmen gegen Spielhallen und Wettbüros unternommen. „Im Strafgesetzbuch steht, das Glücksspiel verboten ist.“, sagt Alberti. „Wenn es nicht von den Behörden zugelassen ist“. Spielhallen stellen einen Teil des zugelassenen Glücksspiels dar. Doch auch illegale Glücksspieleinrichtungen werden von den Behörden geduldet. „Rechtlich gesehen ist momentan jedes privat betriebene Wettbüro verboten“, sagt Christina Kaiser vom Institut für Recht und Wirtschaft der Universität Hamburg. In den wenigsten Fällen gehen die Behörden jedoch konsequent gegen diese vor. „Der Staat sorgt sich um mögliche Schadenersatzansprüche die bei Schließungen gestellt werden könnten. Dies begründet sich aus der derzeitigen europäischen Rechtsprechung in Bezug auf das staatliche Glücksspielmonopol in Deutschland“, sagt Kaiser. Die Juristin fügt jedoch hinzu: „Ich persönlich glaube nicht, dass derartige Ansprüche geltend gemacht werden könnten“.

Die Grünen wollen in der Bezirksversammlung die Behörden jetzt auffordern gegen diese illegalen Wettbüros vorzugehen. Auch in der Bürgerschaft will sich die Partei für Maßnahmen gegen die Verbreitung von Spielhallen und für eine Verbesserung der Suchbekämpfung stark machen. „Wir fordern Ergänzungen im derzeitigen Gesetzesentwurf für das Spielhallengesetz“, sagt Bürgerschaftsabgeordnete Heidrun Schmidt. „Insbesondere der Abstand zu Schulen und Jugendeinrichtungen und eine zentrale Sperrdatei für bekannte Spielsüchtige müssen noch in das Gesetz aufgenommen werden“. Das Glücksspielgesetz soll Ende des Jahres in der Bürgerschaft verabschiedet werden. „Leider zu spät für Billstedt“, muss Schmidt eingestehen. Die Billstedter wollen dennoch gegen Wettbüros und Spielhallen in ihrem Stadtteil kämpfen. Ein Kampf nicht nur für das Bild des Stadtteils, sondern für die Menschen vor Ort. Glücksspielsucht ist oft auch eine Gefährdung für das Leben der Betroffenen. Gisela Alberti bestätigt: „Spieler haben die höchste Selbstmordrate unter allen Süchtigen“.

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