Popup-Festival: „Wilhelmsburg aus dem Dornröschenschlaf holen“

Kerstin Schaefer, Nurcan Solak und Anna Kessel im Mode-Sonnenstudio (v.l.).
Stadtgespräch
Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Am Freitag, 28. August, startet das erste Lädenfestival in Wilhelmsburg. Bis Anfang Oktober sollen leerstehende Geschäfte im Reiherstiegviertel mit neuen Konzepten belebt werden.

„Das Reiherstiegviertel wurde schon als neue Schanze gehandelt“, heißt es im Oktober 2014 im Hamburger Abendblatt. Doch das Aus für das Kleidungsgeschäft „Wilhelmine“ und das „Messie de Luxe“ zeichnen ein anderes Bild von Wilhelmsburg. Auf Dauer fehlt den Einzelhändlern im Viertel die Kundschaft, viele Geschäfte können sich nicht halten. Die Befürchtung vieler Anwohner: Nach dem Hype rund um Internationale Bauausstellung und die Gartenschau bleibt nur heiße Luft und viel Leerstand entlang der Veringstraße.

„Gleichzeitig haben bei uns in den Zinnwerken aber ständig Menschen angeklopft und gefragt, ob wir Platz für ihre Läden haben“, sagt Kerstin Schaefer, bekannt als Autorin von „Die Wilde 13“. Die Nachfrage nach Ladenflächen im Stadtteil scheint ungebrochen. In den Zinnwerken am Veringkanal können die Läden jedoch nicht unterkommen. „Der Standort der Zinnwerke ist weiterhin unsicher und außerdem nicht für den Einzelhandel gedacht“, sagt Schaefer. Eine neue Idee musste her: Die leer stehenden Geschäfte im Viertel sollten mit den Ideen aus dem Stadtteil zusammen gebracht werden.

Die Veringstraße beleben

Herausgekommen ist das erste Popup-Festival im Reiherstiegviertel. Von Freitag, 28. August, bis zum 4. Oktober sollen leer stehende Geschäfte rund um und an der Veringstraße belebt werden. Alle Eigentümer stellen ihre Ladenflächen für das Festival mietfrei zur Verfügung.

„Die meisten, die wir angesprochen haben, standen der Idee aufgeschlossen gegenüber und haben uns gern die Schlüssel überreicht“, sagt die Wilhelmsburgerin weiter. Dass am Ende wirklich zwölf Läden zusammen kommen, hätten die Organisatoren selbst nicht erwartet. Dabei sind auch Geschäfte mit echter Wilhelmsburger Geschichte.

Geschichtsträchtiges Festivalzentrum

So auch das Festivalzentrum an der Veringstraße 16. Hier war früher das Monopol-Kino ansässig. Dort, wo sonst die Kinokarten entwertet wurden, werden in den kommenden Wochen Pilze gezüchtet. Auf Kaffeesatz aus umliegenden Cafés, wie zum Beispiel der Kaffeeklappe, züchtet Jens Block Gourmet-Speisepilze, die im Viertel wieder auf den Teller kommen. Während des popup-Festivals kann jeder von Block selbst lernen, wie das Pilzfarming-System funktioniert.

Nebenan wird geschwitzt. Ein Kollektiv aus leidenschaftlichen Fahrradfahrern, Bastlern und Künstlern betreibt hier die „Nonstop Schwitzen-Bar“. Der Clue: Hier gibt es erfrischende Smoothies. Wer einen trinken möchte, muss jedoch selbst in die Pedale treten. Der „Smoothie Goldsprint“ wird in Küchenmixern zubereitet, die durch die Fahrräder angetrieben werden.

Platten und Drucke statt Skat

„Ich verstehe mich als echter Wilhelmburger Lokalpatriot“, sagt Murat Karakus von Bunker93. Das spiegelt sich auch in den Motiven seiner Siebdrucke wider. Karakus hat auch den Beutel zum Popup-Festival entworfen. „Nicht jedem Motiv sieht man es direkt an, aber die meisten haben doch einen Bezug zum Viertel“, erklärt Karakus, der sich die Location an der Veringstraße 69 mit Wolfgang Strobel und seinem Schallplattensortiment teilt.

Popup Festival Wilhelmsburg, Foto: Isabella David

Strobel ist in Wilhelmsburg vor allem durch seine „Plattenverkostungen“ bekannt, die sonst bei ihm Zuhause stattfinden. „Auch hier werden wir zu jeder verkauften Platte einen Schnaps reichen, wie es sich gehört“, sagt Strobel. In dem Geschäft trifft sich sonst ein italienischer Verein zum Kartenspielen.

Mode im Sonnenstudio

Doch nicht nur an Veringstraße werden am Freitag Läden „aufpoppen“. Auch in den umliegenden Straßen des Reiherstiegviertels werden Geschäfte belebt. So auch das alte Sonnenstudio an der Fährstraße 71. In den umgenutzten Kabinen der Sonnenbank entsteht ein „Slow Fashion Room“. Anna Kessel und Esther Rühe, Gründerinnen des Kunstkinder Magazins, zeigen hier eine Auswahl an Hamburger Modemachern, die sich der Idee nachhaltiger Mode verschrieben haben.

Mit dabei sind auch Pola Fendel und Thekla Wilkening, die mit ihrer „Kleiderei“ zeigen, dass man Klamotten im Sinne der Nachhaltigkeit auch verleihen kann. Nur ein paar Kabinen weiter baut Nurcan Solak ihre „La Boutique“ auf. Während Solak ihre traditionelle, orientalische Kleidung am Anfang nur für Familie und Freunde schneiderte, gibt es mittlerweile einen großen Kundenkreis auf der Elbinsel.

Neue Perspektiven für das Reiherstiegviertel

„Nurcan ist ein Beispiel für jemanden, der wirklich sehr gern einen eigenen Laden hier im Stadtteil aufmachen würde“, sagt Kerstin Schaefer. Genau darauf soll mit dem Festival aufmerksam gemacht werden: „Wir wollen zeigen, wie die Veringstraße aussehen könnte, wenn man sie aus dem Dornröschenschlaf erweckt“, sagt Scheafer. Die Ladenutopien füllen den Leerstand im Viertel mit bunten und kreativen Ideen – zumindest bis zum 4. Oktober. Was danach von den Geschäften und Ideen im Reiherstiegviertel bleibt, wird sich zeigen.

Was? Popup-Festival in Wilhelmsburg

Wann? Vom 28. August bis zum 4. Okotober

Wo? Im Reiherstiegviertel in Wilhelmsburg

Das Festivalzentrum hat vom 28. August bis 4. Oktober jeden Donnerstag und Freitag von 14 bis 20 Uhr und an den Wochenenden von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Von hier aus starten an allen Festival-Samstagen und -Sonntagen um 14 Uhr geführte Popup-Shoppingtouren.

Die Öffnungszeiten aller Läden findet ihr hier.

Fotos: Isabella David
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