Am Montag hat der Bezirk Hamburg-Mitte die Eckpunkte des städtebaulichen Wettbewerbs für das Essohäuser-Grundstück vorgestellt. Die Wünsche und Ideen aus dem umfassenden Beteiligungsprozess der PlanBude legen den Grundstein für einen sozialverträglichen Neubau an der Reeperbahn.
60 Prozent öffentlich geförderter Wohnraum, Flächen für die gemeinschaftliche, quartiersbezogene Nutzung – und nicht eine Eigentumswohnung. Auf dieser Basis sollen die ausgewählten Architekturbüros Entwürfe für den Neubau auf dem Essohäuser-Areal erstellen. Der Neubau an der Reeperbahn soll sich an den Bedürfnissen des Viertels orientieren. Diese wurden in einem intensiven, monatelangen Beteiligungsprozess mit der „PlanBude“ aus über 2.000 Fragebögen, Modellen und Zeichnungen als sogenannter St. Pauli Code herausgefiltert.
Bezirk, PlanBude und der Investor, die Bayerische Hausbau, haben sich anhand der Ergebnisse der Bürgerbeteiligung auf eine gemeinsame Auslobung für den städtebaulichen Wettbewerb geeinigt.
Für Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) ist das ein großer Erfolg: „Dass dieser nicht ganz einfache Prozess hier zu einem erfolgreichen Ende kommt liegt zum einen an dem kreativen, innovativen und professionellen Beteiligungsverfahren der PlanBude, zum andern aber auch daran, dass der Grundeigentümer die Ergebnisse mitträgt. Dieses Zusammenrücken war für uns alle nicht absehbar.“
Auch der Investor sieht die Entwicklungen positiv. „Aus dem Beiteiligungsverfahren hat sich ein sau-guter Kompromiss ergeben“, sagt Bernhard Taubenberger von der Bayerischen Hausbau. Für die Beteiligten ein Kompromiss bei dem es nur Gewinner gibt: Bezirksamtsleiter Grote ist überzeugt, dass die Neubebauung auf dem Essohäuser-Areal nicht zu weiterer Verdrängung und Aufwertung beitragen wird. Vielmehr soll ein neues Stück St. Pauli entstehen, dass sich das Viertel selbst aneignen kann.
Fast 9.000 Quadratmeter öffentlich gefördert
Zentraler Faktor ist hierbei die Zusammensetzung der Wohnbebauung. Der Wohnraum soll im direkten Vergleich zu den abgerissenen Essohäusern mehr als verdoppelt werden. Dies bedeutet jedoch auch, dass die Bebauung an einigen Stellen mehr Geschosse aufweisen kann, die mittlere Höhe soll jedoch bei fünf bis sechs Geschossen liegen.
Zu Reeperbahn und Spielbudenplatz hin können es hingegen sechs bis sieben Geschosse, an einzelen Stellen im Gebäudekomplex auch neun Etagen werden. Ein großer Klotz soll der Neubau am Spielbudenplatz nicht werden: „Die Archtitekten sind gefordert hier eher Häuser, statt ein großes Haus zu bauen“, erklärt Baudezernent Bodo Hafke.
38 Prozent des Wohnraums soll auf dem ersten Förderweg finanziert werden. Zusätzlich zu den Sozialwohnungen sollen 22 Prozent durch förderfähige Baugemeinschaften und Baugenossenschaften realisiert werden. Die übrigen 40 Prozent sollen frei finanziert werden. Insbesondere sollen jedoch dringend benötigte kleine Ein- bis Zweizimmerwohnungen entstehen. Keine einzige Eigentumswohnung soll es in dem Neubau geben.
Kiezaffines Gewerbe, soziale Einrichtungen – und ein Hotel
Das Bezirksamt hält das Wohnen hin zur Reeperbahn unter den heutigen Auflagen des Lärm- und Emissionsschutzes nicht für umsetzbar. Stattdessen soll am Spielbudenplatz ein Gewerberiegel, wie zuvor in den Essohäusern entstehen. Hier soll beispielsweise auch der Molotow-Club wieder einen Platz finden. Auch den anderen Gewerbetreibenden, die hier vor der Evakuierung der Essohäuser ihre Läden und Lokale betrieben haben, sollen hier Gewerbeflächen angeboten werden. Dem Panoptikum soll eine Erweiterung ermöglicht werden.
In den oberen Geschossen an der Reeperbahn soll ein Hotel einziehen. Nur so könne man geringere Mieten für stadtteilbezogene Einrichtungen an der Taubenstraße und Kastanienallee ermöglichen. Nicht nur die „Kogge“, sondern auch das „FabLab“ und eine Stadtteilkantine sollen hier einen Platz finden.
Die Fläche voll ausnutzen: Auf dem Dach und im Keller
Auf dem Dach sollen grüne, nutzbare Flächen für die Bewohner des Neubaus, auch jedoch für den Stadtteil selbst entstehen. Ein Quartiersplatz soll der neue Treffpunkt der St. Paulianer auf dem Areal werden. Im Keller sollen nicht nur Bühnen für die Clubs ermöglicht werden, sondern auch ein großer Saal für Stadtteilversammlungen, Konzerte und Theateraufführungen.
Ganz in Tradition der Esso-Tankstelle soll es einen 24-Stunden-Shop an der Taubenstraße geben. Zusätzlich sind Flächen für die Nahversorgnung, einen kleineren Drogerie- und Supermarkt vorgesehen.
„Einmischen lohnt sich!“
Auch aus Sicht der Initiative Esso-Häuser, die sich über Jahre für Sanierung und Erhalt der Gebäude am Spielbudenplatz eingesetzt hat, ist der Beteiligungsprozess als großer Erfolg zu werten. Die Ergebnisse würden deutlich zeigen, dass es sich lohnt sich einzumischen, heißt es in einer Erklärung der Initiative. Dennoch gibt es auch Kritikpunkte: Neben der starken Verdichtung mit einer vorgesehenen Baumasse von etwa 28.000 Quadratmetern, die vor allem auf mehr Gewerbeflächen entfällt, stellt die Initiative infrage, ob ein zusätzliches Hotel auf St. Pauli notwendig ist.
„Das Hotel soll keiner Kette angehören, sich zum Stadtteil öffnen und sich in der Fassadengestaltung ins kleinteilige Gesamtkonzept einfügen. Wir sehen dies als große Herausforderung an die Architekten und werden es nicht hinnehmen, wenn letztlich dann doch etwas entsteht, das die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung kontakariert“, heißt es in der Erklärung. Die Initiative Esso-Häuser fordert außerdem ein vertraglich abgesichertes Rückkehrrecht auch für die Gewerbemieter, eine Mietpreisbindung der Sozialwohnungen für mindestens 30 Jahre, die Gründung eines Beirats für die weitere Projektentwicklung sowie eine verbindliche Verabredungen über die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses, die erst nach dem Architekturwettbewerb relevant werden.
PlanBude als Anwalt der Bürgerbeteiligung
Damit 2017 mit dem Bau begonnen werden kann, geht es nun in die handfeste Planung des Neubaus. Am Mittwoch, 20. Mai, soll die Ausschreibung für den städtebaulichen Wettbewerb im Stadtplanungsausschuss der Bezirksversammlung vorgestellt werden. In der nächsten Sitzung des Hauptausschusses Anfang Juni soll die Bezirkspolitik das Konzept schließlich verabschieden. Bevor eine Jury zunächst über die städtebaulichen und später über die architektonischen Entwürfe entscheidet, sollen die Pläne immer wieder auch im Stadtteil vorgestellt werden.
Zusätzlich soll die PlanBude auch weiterhin als „Anwalt der Bürgerbeteiligung“ für die Interessen der St. Paulianer im weiteren Planungsprozess eintreten. „Wir prüfen aktuell, wie wir auch den physischen Verbleib der PlanBude am Spielbudenplatz finanzieren können“, erläutert Grote. Außerdem sollen zwei Vertreter aus dem Stadtteil an der Jury für den städtebaulichen Wettbewerb teilnehmen: Rechtsanwältin Christiane Hollander (Mieter helfen Mietern) und Sabine Stövesand (Professorin an der HAW). Als Stellvertreter wurden Jenny Maruhn (Initiative Esso-Häuser) und FC St. Pauli-Präsident Oke Göttlich ausgesucht.
Titelbild: von Doris Antony, Berlin (Eigenes Werk) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY-SA 4.0-3.0-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0-3.0-2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons
Foto 1 im Text: Andreas Gerhold
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lajanax
23. September 2015 at 11:16
Die Frau von der HAW heißt aber SABINE Stövesand
Isabella David
23. September 2015 at 16:37
Wird geändert, vielen Dank für den Hinweis.