Was wurde aus… dem Steinkohlekraftwerk Moorburg?

Politik
Frederic Zauels
@fredericzauels

Redakteur für Politik und Kultur | B.A. Politikwissenschaften, M.A. Journalistik | Kontakt: zauels@hh-mittendrin.de

Was wurde eigentlich aus?
Einst Topthema und Schlagzeilenträger, heute aus den Augen verloren. Mit unserer Recherche-Serie für Hamburg wollen wir die Entwicklung der Themen auch Jahre nach dem Ereignis darstellen und neue Ereignisse präsentieren.

Es war der Streitpunkt der ersten Schwarz-Grünen Koalition auf Landesebene: Der Bau des Steinkohlekraftwerks Moorburg im Süden Hamburgs. Das Gericht entschied für den Energiekonzern Vattenfall, Klimapläne werden deswegen nicht eingehalten. Europa macht den Umweltunterstützern nun aber neue Hoffnung.

Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank will den gleichen Fehler nicht noch einmal machen. Die Grünen/GAL aus Hamburg um Umweltsenatorin Anja Hajduk hatten ihren Unterstützern vor der Wahl 2008 versprochen: Mit uns gibt es kein Steinkohlekraftwerk in Moorburg. Dabei waren die Verträge des Energiekonzerns Vattenfall mit dem damaligen allein regierenden CDU-Bürgermeister Ole von Beust längst unterschrieben und – wie sich später herausgestellt hatte – nicht mehr rückgängig zu machen.

Nun, sieben Jahre später, soll ein Block des Kraftwerks anlaufen – Ende Februar 2015. Bereits vor längerer Zeit ließ der Konzern den Startpunkt auf die vergangene Jahreswende verlauten. Anfang Dezember hieß es, er solle Ende Januar anlaufen, nun startet das Kraftwerk seinen Dienst also erst nach der Hamburger Bürgerschaftswahl. Fegebank kritisiert den Energieriesen dafür: „Dass das Kraftwerk erst Ende Februar in Betrieb genommen wird, kann als Wahlhilfe an Bürgermeister Olaf Scholz angesehen werden“, sagt die 37-Jährige.

Kohlekraftwerk_Moorburg_3, von NordNordWest (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Tatsächlich hört man von den Sozialdemokraten kaum kritische Stimmen gegen Hamburgs neuen Energielieferanten, der den C02-Ausstoß der Stadt um die Hälfte steigen lässt. Bisher pustet die Hansestadt etwa 18 Millionen Tonnen C02 in die Luft. Mit Moorburg wären es 26,5 Millionen. Im SPD-Regierungsprogramm für 2015-2020 wird lediglich erwähnt: „Nach langer Vorlaufzeit geht das 2008 genehmigte Kraftwerk Moorburg jetzt ans Netz.“ Bürgermeister Scholz kämpfte zudem noch im vergangenen Jahr für die Energielieferanten und gegen die Rekommunalisierung von Hamburgs Energienetz.

Mit voller Laufleistung in Moorburg rechnet man bei Vattenfall Ende Juni. Dann soll auch der zweite Block anlaufen. So könnte man die ganze Hansestadt mit dreckigem Strom versorgen. Hamburgs ökologische Energiepläne – den C02-Ausstoß bis 2020 im Vergleich zum Basisjahr 1990 um 40 Prozent zu senken – werden damit über den Haufen geworfen. Nebenbei schüttet der Meiler laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mehr Quecksilber aus, als die gesamte Hamburger Industrie bislang.

Ein Plan von „Alleinherrscher“ Ole von Beust – Grüne scheitern kläglich 

Wie kam es überhaupt zur Zustimmung? Der ehemalige Bürgermeister Ole von Beust fädelte den Deal noch kurz vor den Wahlen 2008 am 14. November 2007 ein. Damals regierte die CDU allein, musste sich niemanden rechtfertigen und keinen Kompromiss eingehen. Eine Petition mit 12.000 Unterschriften, die ein Bündnis aus Umweltbeschützern und Parteien sammelte, scheiterte. Erst mit der anschließenden Wahl und dem ersten Bündnis von CDU und den Grünen – in Hamburg der Grün-Alternativen Liste (GAL) – auf Landesebene, wurde der Meiler zum richtigen Streitfall.

von NordNordWest (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0 de (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Die Grünen hatten seinen Stopp versprochen und es als Wahlkampfthema instrumentalisiert. Nun wollte man den Worten Taten folgen lassen – vergeblich. Am Hamburger Oberverwaltungsgericht war kein Vorbeikommen, es entschied für den Energieriesen. Das war abzusehen, spaltete aber die Grünen-Partei. Einige Mitglieder forderten den Ausstieg aus der Koalition. Das Argument: Die ökologische Glaubwürdigkeit der Partei muss gerettet werden.

Hajduk und Fegebank konnten die Mitglieder letztlich besänftigen, man blieb in der schwarz-grünen Koalition. Hohe Klimaauflagen, wie die Fertigstellung eines zusätzlichen Kühlturms und verringerte Kühlwasserentnahmen aus der Elbe, wurden während der Regierungszeit erkämpft. Das Kraftwerk soll damit an 250 Tagen im Jahr mit gedrosselter Leistung betrieben werden. Es sind Auflagen, die laut Vattenfall, zu einer erheblichen wirtschaftlichen Einschränkung führen.

Vattenfall hat mit Moorburg bereits erhebliche Verluste eingefahren

So erklärte der schwedische Konzern der taz, man würde das Kraftwerk heute nicht mehr bauen. Die Umsätze des Kraftwerks seien auf etwa 45 Prozent gesunken. Genau wären das laut früheren Unternehmensangaben neun bis 16 Millionen Euro pro Jahr. Insgesamt soll Vattenfall mit Moorburg bereits eine Milliarde Euro Verlust abgeschrieben haben. Denn eigentlich sollte mit dem Meiler, Hamburg zusätzlich mit Fernwärme versorgt werden. Das aber rechnet sich laut einem Gutachten des BET-Instituts aus Aachen nicht: eine Fernwärmeleitung von Moorburg über die Elbe wäre zu teuer. Deshalb glaubt Fegebank nicht mehr an einen Stopp des Klimakillers.  

Letzte Hoffnung? Laut einem EuGH-Urteil darf der Meiler nur mit halber Kraft fahren

Die Hoffnung bleibt dennoch: Seit 2010 verstößt Hamburg gegen EU-Grenzwerte für die Schadstoffbelastung der Atemluft. Die Klage eines Bürgers, die Stadt müsse „möglichst schnell die Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid“ einführen, wurde vom Verwaltungsgericht akzeptiert.

Dazu wirft die Europäische Kommission der Stadt vor, beim Bau des Meilers die Naturschutzrechte der EU missachtet zu haben. Aufgrund der Kühlung mit Elbwasser sind Fische und Wasserpflanzen gefährdet. Die Stadt erklärte sich bereits streng vertraulich. Lehnt die Kommission diese ab, kann es aber zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) kommen. Beim Hamburger Verwaltungsgericht scheiterten die Grünen noch mit einer ähnlichen Argumentation.

Aber selbst wenn die EU nochmal die Auflagen verschärft, wird Vattenfall das Kraftwerk deswegen nicht mehr ganz abschalten, sagt Fegebank. Dafür habe der Konzern bereits zu viele Verluste eingefahren. Ein aktuelles Wahlkampfthema dürfte es ebenso wenig werden. „Wenn kurz vor der Wahl in Moorburg der Schornstein gequalmt hätte, wäre das ein dickes Symbol für die Luftverschmutzung gewesen“, sagt Fegebank.

Titelfoto: Ajepbah via Wikimedia Commons
Bild 1 und 2 im Text: NordNordWest via Wikimedia Commons
Kommentare anzeigen (1)

1 Kommentar

  1. FranKee 【Ƿ】

    17. Februar 2015 at 18:27

    Zitat:
    „Wenn kurz vor der Wahl in Moorburg der Schornstein gequalmt hätte, wäre das ein dickes Symbol für die Luftverschmutzung gewesen“, sagt Fegebank.

    Uhm… wut? Der Schornstein hat kurz vor (und auch Wochen vor) der Wahl gequalmt.
    Angefahren wurde der Meiler meines Wissens zu Weihnachten…

    https://twitter.com/FranKee_HH/status/567736815197880320/photo/1

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