Wahlkampf im Netz: Nicht mitmachen ist fatal

Bürgerschaftswahl
Frederic Zauels
@fredericzauels

Redakteur für Politik und Kultur | B.A. Politikwissenschaften, M.A. Journalistik | Kontakt: zauels@hh-mittendrin.de

Facebook und Twitter: In Hamburg ist der Wahlkampf zur Bürgerschaft gestartet, dabei spielt Social Media eine wichtige Rolle. Welche Kandidaten sind besonders aktiv, welche Accounts wirken authentisch, welche seriös? Und wer erreicht die meisten Nutzer? 

Wie wichtig Social Media für die Politik sein kann, hat bereits der Arabische Frühling 2011 gezeigt: Zahlreiche Demonstrationen wurden über den Kurznachrichtendienst Twitter koordiniert. So wird das Internet auch für die Politiker immer wichtiger – nicht nur in Wahlkampfzeiten. In Hamburg informieren sich laut einer Studie des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) zum Bundestagswahlkampf 2013 knapp 60 Prozent der Bürger über politische Themen im Internet – Tendenz steigend. Über die Hälfte der unter 29-Jährigen nutzen Social Media, um mehr über Politiker zu erfahren.

Martin Fuchs ist der Hamburger Wahlbeobachter. Er ist im Bereich der strategischen Politikberatung und den Hintergründen des Politikgeschäftes tätig. Bei der Bürgerschaftswahl 2011 übernahm Fuchs die inoffizielle Beobachtung. Seitdem beobachtet er die Europa-, Bundes- und Landespolitik im Netz, mit Fokus auf Social Media. Mehr zu Martin Fuchs bei about.me, XING, Twitter und Facebook.

Im Vergleich zu allen klassischen Medien ist das ein rasanter Anstieg. „Es wäre fast schon fatal, das Netz nicht für sich zu nutzen“, sagt der Politikberater Martin Fuchs, der beim Hamburger Wahlbeobachter die Social Media-Aktivitäten der Abgeordneten analysiert. Insgesamt 63,2 Prozent der Hamburger Kandidaten haben einen Social Media-Account.

Mit 55,1 Prozent ist über die Hälfte aller Kandidaten zur Bürgerschaftswahl beim Branchenriesen Facebook aktiv. Viele Kandidaten nutzen ihren Facebook-Account vor allem privat. Eine Fanseite haben nur 102 der 886 Kandidaten, zumeist sind es  die Spitzenkandidaten der Parteien in den Wahlkreisen.

Dennoch ist ein erheblicher Anstieg der Facebook-Aktivität der Kandidaten im Vergleich zur vergangenen Bürgerschaftswahl bemerkbar. Und das nicht ohne Grund: Die digitale Interaktion mit Wählern schafft Vertrauen, wie Florian Wintterlin von der Universität Münster in einer Studie festhält. In einem Beitrag für den Hamburger Wahlbeobachter heißt es: „Mit dem Internet und insbesondere Social Media werden aufgrund niedriger Zugangshürden und hoher Interaktivität, Hoffnungen auf mehr Partizipation der Bürger am öffentlichen Diskurs verbunden.“ Auch können die Politiker unterschiedliche Zielgruppen im Netz besser ansprechen. Mit einer geschalteten Facebook-Werbung werden oftmals mehr Wähler erreicht als mit einer Plakatwerbung oder Flyern in der Innenstadt.

Die Aktivität im Netz hat auch Vorteile für die Pressearbeit der Kandidaten. Denn: Wer bei Social Media Stellung zu aktuellen Themen bezieht, wird oft auch schneller von Journalisten zitiert.

Einige wirken authentisch, andere seriös

Im Netz wollen einige Politiker bewusst authentisch wirken und geben auch viele private Details von sich preis. Social Media, so Wintterlin, sei ein stark personalisiertes Medium. Politiker haben die Möglichkeit, sich selbst positiv darzustellen, Transparenz zu vermitteln und direkt mit ihren Wählern zu interagieren.

Die Grünen-Vorsitzende Katharina Fegebank nutzt Twitter. Sie ist schon länger beim Kurznachrichtendienst und berichtet dort beispielsweise auch über Konzertbesuche von antirassistischen Bands. Ihr ist es wichtig, diesen Kanal alleine zu bedienen. „Dann schaffe ich es zwar nicht von allen Terminen zu berichten, gerade jetzt während des Wahlkampfs, aber die Leute wissen, dass sie hier direkt mit mir in Kontakt stehen und so meine persönlichen Meinungen und Beobachtungen wiederfinden“, sagt sie.

Andere überlassen die Pflege ihres Webauftritts den Mitarbeitern, es soll seriös sein. Für die Tweets und Facebook-Einträge von Bürgermeister Olaf Scholz sorgt sein Team. Sie haben alle unmittelbar mit seinem Beruf zu tun, private Nachrichten bekommt man nicht zu sehen. Spannend und innovativ ist das nicht immer, die größte Reichweite hat er trotzdem. „Scholz lebt von seinem hohen Bekanntheitsgrad, er ist zusätzlich im Bundesvorstand der SPD. Wie man soziale Netzwerke bespielt, indem man zum Beispiel den Dialog mit den Nutzern pflegt und ihn anregt, da sind ihm andere Spitzenkandidaten und Parteien wie die Grünen, die FDP und die Neuen Liberalen weit voraus“, sagt Fuchs.

Vor allem sei es aber wichtig, über eine lange Zeit Interessenten an die eigenen Accounts zu binden und sie zu informieren – transparent zu sein. Wer sein Profil erst kurz vor der Wahl eröffne, dem wird sein Online-Engagement oftmals nicht abgenommen.

Facebook beliebter als Twitter

Insgesamt nutzen über 40 Prozent der Bürgerschaftsabgeordneten Twitter. Wenn Hamburger Politiker keinen Account haben, sind sie immerhin durch ihre Parteien oder die Landesverbände bei Social Media vertreten. Am ehesten nutzen die Abgeordneten der Linken den Kurznachrichtendienst. Sechs von acht, also 75 Prozent, haben einen Account und twittern regelmäßig. Die meisten Twitterer (21) sind zwar von der SPD, die stellt aber auch dreimal soviele Abgeordnete. Dafür ist SPD-Politiker Hansjörg Schmidt, Kandidat für Hamburg-Mitte und Sprecher für Medien- und Netzpolitik, mit durchschnittlich 6,3 Tweets pro Tag am aktivsten.

Bürgerschaftstweets auf einen Blick

Für die Bürgerschaftswahl hat der Berliner Web-Entwickler Thomas Puppe „Politik-Tweets-Hamburg“ eingerichtet, auf der man die Twitterentwicklungen der Abgeordneten in der Bürgerschaft genau beobachten kann. Wer hat den erfolgreichsten Tweet der Woche abgesetzt? In der Kategorie Politiker kann zum Beispiel nachgeschaut werden, wieviele Tweets der Abgeordnete im Durchschnitt pro Tag absetzt, seit wann er bei Twitter aktiv ist und wieviel Prozent seiner Kurznachrichten Fotos enthalten. Wie erfolgreich sind die Abgeordneten mit Social Media? Bei Pluragraph kann man den Zuwachs an Followern und die Wertsteigerung der Accounts ablesen.

Interessant ist außerdem, dass man erfährt über welche Themen die Abgeordneten twittern. Dafür müssen die Nachrichten mit einem Schlagwort, also einem Hashtag, geschrieben werden. Dabei kommt raus: Im Januar hat sich bereits der für die Bürgerschaftswahl 2015 ausgedachte Hashtag #hhwahl etabliert. Er wurde insgesamt 129 Mal genannt.

Social Media ist wichtig, aber nicht alles

Auch wenn Social Media in Deutschland immer populärer wird, an den vermeintlichen Einfluss in Amerika oder bei den Wahlen in Indonesien kommen die Politiker hier nicht heran. Social Media ersetzt auch in Hamburg nicht den klassischen Wahlkampf der Kandidaten. Dennoch sind Twitter, Facebook und Co. unerlässlich, um als Kandidat für die Wähler präsent zu sein. Wie man mit Social Media die Bekanntheit enorm steigern kann, hat die Hamburger FDP um Spitzenkandidatin Katja Suding zuletzt eindrucksvoll mit einem Post bewiesen. Dafür nutzte die Partei den Tweet einer 17-jährigen Abiturientin, der deutschlandweit in den sozialen Netzwerken für Furore sorgte und baute ihn in eine eigene Grafik ein.


Dadurch erreichten die Liberalen aus der Hansestadt eine Millionen Menschen, obwohl sie derzeit auf Facebook nur 7692 Fans haben. Ob inhaltlich passend oder nicht, die FDP hat sich dadurch wieder ins Gespräch gebracht.

Kommentare anzeigen (6)

6 Kommentare

  1. Fiete Stegers

    22. Januar 2015 at 12:01

    FDP-Beispiel zu knapp erklärt, was haben die genau gemacht?

  2. Martin Fuchs

    22. Januar 2015 at 15:03

    Fiete, weil Du fragtest: Die FDP hat den Tweet der 17jährigen schnell in eine eigene Grafik verwandelt, dann auf Facebookseite gepostet und dann viral gehen lassen. Man hatte also ein gutes Gespür, das das ein Thema wird.
    Hier mein Tweet dazu vom 15.01.2015 https://twitter.com/wahl_beobachter/status/555733964472991744

  3. Begefank

    22. Januar 2015 at 22:42

    Für mich steigert sich die Glaubwürdigkeit eines Politikers nicht dadurch, dass er ein modernes Medium wählt, um Wahlkampf zu machen.

    In Wirklichkeit sagt das nämlich rein har nichts aus.
    Nicht was sie reden oder schreiben sagt was aus, sondern wofür sie abstimmen und wofür nicht. Das sollte man als mündiger Bürger mal erkannt haben.

  4. Muddi

    23. Januar 2015 at 14:14

    Zum Glück ist kein Bundestagswahlkampf, sonst wär‘ wieder die halbe Stadt mit Kahrs-Plakaten zugeschissen.

  5. St.Paulianer

    29. Januar 2015 at 03:27

    @Muddi. Volle Zustimmung! Anstelle von Kahrs grinsen seine Abhängigen von den Wahlplakaten. Die besten Leute der SPD durften sich nicht zur Wahl stellen, das wird 5 Jahre Stillstand geben! Weshalb haben Sie kein Machtwort gesprochen Herr Bürgermeister? Wenn man sieht, wie Kahrs Ihre „Wünsche“ (Kandidaten Nominierung nicht vor dem Herbst, Wahlplakate erst im Jan. 2015 aufstellen usw) völlig ignoriert wurden, dann ist es wohl mit der „Macht“ nicht weit her! Arme SPD, armes Hamburg!

  6. HAMBURG ÜBER ALLES

    14. Februar 2015 at 14:02

    DIE LINKE. will

    die Lohne und Renten erhöhen. Die schlagen Mietpreisbremse vor. Herr Gregor Gysi will bspw. die Zwangsräumungen verbieten.

    Sie setzen sich auch für obdachlose Menschen ein und grenzen Menschen mit Behinderungen nicht aus. Schutz für Kinder, diskriminierungsfreier Umgang mit Arbeitslosen, Flüchtlingen und Ausländern, Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze sowie 100%-ge Gleichstellung von Mann und Frau:

    das ist auf einzelne Menschen ausgerichtete Politik!

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