Hamburger Osten: Schluss mit Dornröschenschlaf

Stadtentwicklung
Philipp Moeller

*23.12.1989 in Hamburg | seit 2010 Studium der Stadtplanung an der HafenCity Universität Hamburg

Mit dem Senatsprogramm „Stromaufwärts an Elbe und Bille“ soll der Hamburger Osten in den kommenden Jahren entwickelt werden. Höchste Zeit, findet  Philipp Möller. 

„Stromaufwärts an Elbe und Bille“ hat Großes vor mit dem Hamburger Osten: Endlich sollen die Nachteile bisheriger Konzepte der Stadtentwicklung ausgeglichen und umgesetzt werden, was zum Teil jahrzehntelang verschlafen wurde. Wie genau sich der Hamburger Osten in Zukunft verändern wird, kann noch keiner sagen, sicher ist jedoch: Hamburgs Osten wird aus dem Dornröschenschlaf erweckt.

Google und Bing als Grundlage reichen nicht

Der Schwerpunkt des Programms  „Stromaufwärts an Elbe und Bille“ ist die Schaffung von neuem Wohnraum: Dieser wird dem Hamburger Osten viele neue Einwohner bringen. Doch Ralph Ziegelbalg, Leiter der Geschichtswerkstatt Billstedt, warnt: „Hoffentlich verfällt die Stadt nicht wieder darauf, ihre Probleme billig in Billstedt zu lösen.“

Diese Hoffnung gilt für den gesamten Hamburger Osten. „Der Drittelmix, den der Senat beim Wohnungsbau anstrebt und die bessere Mischung der Bewohnerschaft werden für Billstedt unabdinglich sein“, so Ziegenbalg weiter. Nur auf Quantität dürfe man beim Wohnungsbau nicht setzen – schon gar nicht entlang der Bille.

Die bisherigen Pläne können zwar nur als Vorlagen betrachtet werden, dennoch muss man feststellen, dass die skizzierten Baukörper in einigen Bereichen fehl am Platz wirken. Mancher Baukörper und so manche Idee erscheint unausgegoren, ganz nach dem Motto:„Was wir in Berlin gemacht haben, setzen wir in Billstedt einfach genauso um. Spart Arbeit.“

„Vieles wird hoffentlich noch geändert“

Doch Stadtplanung funktioniert so nicht – hier muss die Frage gestellt werden, ob die Planer überhaupt eine Ahnung haben von den Stadtteilen, die sie verändern wollen. Die Karten von Google oder Bing allein sind keine richtigen Planungsgrundlagen. Es bleibt zu hoffen, dass solche Auswüchse im weiteren Planungsprozess noch geändert werden.

Potential erkannt, aber noch vieles ist noch offen

Eines muss zur Ehrenrettung des Programms gesagt werden: Endlich wird auch dem Hamburger Osten Beachtung geschenkt. Viele Ideen sind diskussionswürdig und werden nun endlich unter einem programmatischen Deckel zusammengefasst. Apropos Deckel: Der Deckel über die B5, der von der Geschichtswerkstatt Billstedt angestrebt wird, bleibt im Programm unerwähnt und wird vielleicht erst im Laufe der weiteren Prozessphasen Beachtung finden.

Doch viele Fragen bleiben offen: Wo genau entstehen die Wohnungen und wie viele? Welcher Wohnungstyp wird gebaut? Finden auch noch weitere Themen Beachtung, etwa das soziale Miteinander in den Stadtteilen? Wie sollen die „Kerne der lokalen Arbeitswelt“ zum Beispiel in Billstedt, Mümmelmannsberg und im Horner Zentrum genau aussehen? Diese Fragen müssen in Zukunft geklärt werden.

Das Herz des Ostens

Billstedt hat in jedem Fall die Voraussetzungen, zum Herzen des Hamburger Ostens zu werden und damit eine wichtige und dynamische Aufgabe zu übernehmen. Billbrook, Rothenburgsort und Hamm-Süd haben das Potential Arbeitsstätte für den gesamten Osten zu sein. Und in Horn wird die Hamburger Bautradition des Backsteines gewahrt.

Jetzt kommt es darauf an, die örtlichen Akteure aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in die weiteren Planungen einzubinden. Ihr Engagement wird in vielen Stadtgebieten, wie in Mümmelmannsberg, bereits gelobt und als wichtiges Instrument zur Stärkung der lokalen Potentiale betrachtet.

Nun gilt es, dies auch umzusetzen und zu nutzen. „Große Töne spucken, aber nichts dahinter“ – dieser Eindruck darf gerade im Hamburger Osten nicht entstehen. Die Politik muss Wort halten und ihre Pläne zusammen mit den Bürgern weiter entwickeln. Sonst besteht die Gefahr, dass die Bewohner sich enttäuscht von Planung und Politik abwenden und ihr Engagement ruhen lassen.

 

Die Zukunft ist schön, aber vergesst die Gegenwart nicht

Die Stadt plant, der Bezirk setzt um und die Investoren bauen. Vieles, was hier geplant wird, wird erst in im nächsten Jahrzehnt umgesetzt werden.

Es gibt aber auch Bereiche, die schnellstmöglich Hilfe brauchen, wie zum Beispiel am Horner Geest. Hier hilft ein großes Programm, dass erst im nächsten Jahrzehnt greifen wird, nicht. Hier müssen andere Maßnahmen getroffen werden, die unmittelbar wirken. „Stromaufwärts“ hat das Potential die Zukunft des Hamburger Osten zu verändern, wie genau, das wird die Zukunft zeigen. Es bleibt die Frage: Hat es auch das Potential die Gegenwart zu ändern?

Hamburgs Osten, mein Schöner, du schläfst nicht mehr

„Stromaufwärts an Elbe und Bille“ wird die Zukunft einer ganzen Region bestimmen. Vieles wird im kommenden Jahrzehnt entstehen. Vieles wird gebaut und vieles neu geplant, aber eins ist sicher: Und egal, wie man zu den Plänen und den Vorhaben selbst steht. Egal, wie diese sich in Zukunft noch entwickeln werden – eines kann jetzt schon gesagt werden: Der Hamburger Osten ist aufgewacht.

 

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2 Kommentare

  1. Michael

    14. November 2014 at 06:33

    auch zu der Äußerung der Handelskammer (wer auch immer sich geäußert hat) in den Reaktionen auf den Sprung nach Osten.

    Es mag ja sein, das Billbrook ein wichtiger Industriestandort ist, es gibt aber auch Menschen, die direkt durch diesen Standort belastet sind. Wir hier in der Steubensiedlung z. B.

    Ich fange mal an: Altlasten durch Boehringer und andere Chemieunternehmen und die Müllverbrennungsanlage haben dafür gesorgt, dass wir Blei,Cadmium etc im Blut haben. Wir haben hier den Schwerlastverkehr, der unsere Häuser erschüttern lässt. Alles was geplant wird (Stadtentwicklungsbehörde), wird immer so geplant, das ja nicht die Anwohner geschützt werden. Man hätte schon längst den Ring 2 in einen Tunnel legen müssen, Thyssen Krupp hätte eine direkte Zufahrt auf die B 5 haben müssen. Sämtliche Schwertransporte, LKW von Speditionen, alle LKW die zum Güterumschlagbahnhof wollen fahren, wenn nicht über die A1 durch unser Wohngebiet. Anstatt eines Industrieboulevards sollte man die Horner Rampe in einen Tunnel verlegen, von mir aus kann der ja in Billbrook wieder ans Tageslicht kommen (vor dem Hotel Böttcherhof). Die Zufahrt zur A1 sollte nicht mehr über die Horner Rampe erfolgen, diese könnte auch in einen Tunnel verlegt werden und oben drauf ein Park errichtet werden. an der A7 und in Billstedt an der B5 soll das ja auch machbar sein. Wir haben jetzt fast 60 Jahre diesen Ring 2 ertragen müssen, vielleicht werden die Anwohner jetzt auch endlich mal gehört und von Lärm und Dreck geschützt.

    Die Handelskammer Stellt sich übrigens mit Ihren Äusserungen jetzt schon seid 30/40 Jahren gegen die Einwohner der Stadt Hamburg,, so Bald es darum geht z. B. den Schwerlastverkehr innerhalb der Stadt einzudämmen. Horn, Hamm, Billstedt, Rothenburgsort sind sehr große Wohngebiete, die aber ein Problem haben, Sie liegen zu dicht am Industriegebiet. Aber warum sollen eigentlich die alt eingesessenen Anwohner immer Leiden, wenn die Handelskammer pieps sagt.

    Bisher wurde hier nicht dafür gesorgt, das es einen vernünftigen ÖPNV gibt, dass am Ring 2 auch aktiver Lärmschutz erfolgt, dass es einen Billewanderweg gibt. Auch dass die Moorfleeter Straße aufgewertet werden soll (Industrieboulevard) und die Horner Rampe nicht, zeugt doch auch schon wieder davon, das weder die Handelskammer geschweige denn der Hamburger Senat auch nur irgend etwas tun möchte, dass die Bewohnern der Horner Rampe mal ruhiger schlafen können.

    Mit freundlichen Grüßen

    Michael Lemke
    Anwohner

  2. HH Mitte

    30. März 2015 at 03:39

    Kein Stadtteil sollte benachteiligt werden! Schwieriges Unterfangen, die Olympischen „Spiele“, (klingt gut nicht wahr?) stehen an, also, lieber spielen, als einen Stadtteil auf Vordermann bringen!Und wer braucht die Fürsten aus der Handelskammer?

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