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„Pussy vs. Putin“: Der Blick hinter die Strickmaske

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Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Die Dokumentation „Pussy vs. Putin“ zeigt in einer beklemmenden Nahaufnahme,  wie die „Pussy Riot“-Aktivistinnen ihre Proteste vorbereiten und durchführen –  und vor allem, mit welcher Härte die russische Polizei gegen die Protestaktionen der jungen Frauen vorgeht.

Wutschnaubend ruft eine Busfahrerin die Polizei. Kurz davor ist sie auf ihren Bus geklettert, um einer jungen Frau ihre Gitarre zu entreißen – erfolglos. Auch die beiden anderen Frauen mit bunten Strickmasken über dem Kopf lassen sich nicht vertreiben. Sie spielen ihren Song zu Ende; dass der Verstärker nicht mehr läuft, spielt keine Rolle. Ein paar junge Männer heben ein Banner vom Boden auf, das die Fahrerin heruntergerissen hat: „Pussy Riot“, ist darauf in großen Lettern zu lesen.

Es handelt es sich dabei nicht um eine Guerilla-Werbeaktion, sondern um politischen Protest in Russland. „Pussy Riot“, das sind unter anderem Marija Aljochina, Jekaterina Samuzewitsch und Nadeschda Tolokonnikowa.

Die Gesichter hinter den bunten Strickmasken aus Wolle kennt man vor allem aus der Berichterstattung über ihren Prozess, hinter Gittern im Gerichtssaal. Die Dokumentation „Pussy vs. Putin“, gezeigt bei den Lesbisch Schwulen Filmtagen in der Roten Flora, beginnt jedoch weit vor der Inhaftierung der Frauen.

Repression und Widerstand in Nahaufnahme

Im Zentrum des Dokumentarfilms vom russischen Filmkollektiv  „Gogol’s Wives“ stehen die Vorbereitungen und die Durchführung des sogenannten „Punk-Gebetes“ der Aktivistinnen im

Februar 2012 in Moskau. Nach der Aktion in der Christ-Erlöser-Kathedrale wurden drei Mitglieder der feministischen Punkband verhaftet und zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.

Unkommentiert – lediglich mit englischen Untertiteln versehen – zeigt der Film die jungen Frauen in Nahaufnahme. Nicht nur bei den Protestaktionen selbst, sondern auch bei der Vorbereitung und den Proben, später im Polizeiwagen, in der Zelle und im Gericht. Der Film ermöglicht den ZuschauerInnen einen Blick hinter die bunten Strumhauben. Die Aufnahmen sind zum Teil so nah dran am Geschehen, dass man sich fragt: „Dort durfte gefilmt werden?“

 

 

Während die Bilder einerseits zeigen, mit welcher Härte die russische Polizei gegen Proteste vorgeht, so zeigen sie auch, wie sehr die ungewöhnlichen Protestaktionen die einzelnen Polizisten irritieren. Hautnah zeigen die Aufnahmen, wie die Aktivistinnen nach einem ihrer Spontankonzerte abgeführt und in eine Zelle gebracht werden. Die Frauen diskutieren mit einem Polizisten über das beschlagnahmte Equipment, dieser scheint eher überfordert mit der Situation. Die Kamera filmt ununterbrochen mit.

Der Schnitt als Kommentar

Es bleibt nicht nur bei einem Blick hinter die Kulissen des Widerstands. Zusätzlich gezeigt werden die Konfrontation der Aktivistinnen mit der Polizei und auch GegendemonstrantInnen, die sich über das „Punk-Gebet“ in der Kathedrale empören. Der Zusammenschnitt der Ereignisse, die Auswahl der Bilder, bleiben der einzige Kommentar der Independentproduktion. Als Zuschauer hat man das Gefühl, einen ehrlichen und authentischen Blick auf die politischen Aktivistinnen zu erhalten.

Die Zeitungsberichte über die Proteste und den Widerstand in Russland bekommen eine ganz neue Dimension: Verwackelte Aufnahmen von Alltagssituationen, Gesprächen und Proben unterfüttern die bloßen Fakten mit einem Einblick in die Lebenswelt von „Pussy Riot“. Besonders beeindruckend wirkt dabei, mit welcher Unverfrorenheit die jungen Frauen, die nach außen hin keine Angst zeigen, sich für ihre Ideale einsetzen.

LSVD: Austausch ermöglichen

Präsentiert wurde der Film vom LSVD-Hamburg. Der Lesben- und Schwulenverband begleitet seit rund fünf Jahren Lesben und Schwule in St. Petersburg. „Die Situation vor Ort wird immer schwieriger“, erklärt Wolfgang Preussner, Vorstand des LSVD Hamburg. Einmal im Jahr ermöglicht der Verband Jugendlichen aus der St. Petersburg den Christopher Street Day in Hamburg zu besuchen. Aufgrund der immer stärkeren Repressalien gegen Homosexuelle in Russland, sei jedoch zu befürchten, dass dieser Austausch irgendwann nicht mehr möglich ist. Dabei sei gerade dies besonders wichtig: „Uns ist es wichtig, dass die jungen Menschen hier Freiheit erleben“, so Preussner.

Kino Tipps für Freitag, den 17. Oktober:

1. Derby Crazy Love, 20:30 Passage Kino 2, Gesamtlänge 64′  – präsentiert von den Harbor Girls.

2. The Foxy Merkins, 22:30 Uhr, Metropolis Kino, Gesamtlänge:  90′

3. The Ten Year Plan, 22:30 Uhr, Passage Kino 1, Gesamtlänge: 90′

 

Foto: Denis Bochkarev [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Kommentare anzeigen (1)

1 Kommentar

  1. Ja nee

    18. Oktober 2014 at 08:55

    Hm, womöglich tatsächlich ein interessanter Film. Ob da wohl auch beleuchtet wird wie Pussy Riot und das Künstlerkollektiv dahinter finanziert wird? Ich habe gelesen, dass die Damen durchaus die eine oder andere Reise in die U.S.A . und Kanada unternommen haben. Dass die Pussy-Riot-Geschichte im Westen massiv zu Propagandazwecken ausgeschlachtet wird, fällt vielen vielen Lesern auf, deutschen „Journalisten“ alllerdings nahezu gar nicht. das nennen sie dann „Qualitätsjournalismus“. Selbst wenn in Russland die Homophobie so grassiert, wie die deutsche Medien behaupten, schafft man ein Zerrbild, wenn sich die Berichterstattung darauf reduziert. Geradezu lächerlich und boulevardesk wird es, wenn man das Problem auch noch so albern personalisiert und so tut als wäre Putin Russland. Es ist noch nicht so lange her, da war auch in Deutschland Homosexualität ein Grund, Leute ins Gefängnis zu stecken. Interessant auch, dass immer die Polizei in anderen Ländern total schlimm ist. Wenn deutsche, britische oder amerikanische Polizei exakt das Selbe oder schlimmers macht, berichten deutsche Medienkonzerne darüber eher gar nicht oder ganz anders. Woher kommt also diese dummdreiste Arroganz des Westens? Ist es so toll, dass wir den Treibhauseffekt geschaffen haben? Dass wir die Natur ausbeuten und verpesten? Sind es unsere Tier-KZs? Die AKWs? Christliche Schulen, die von Päderasten betrieben werden? Oder unsere Bomben, die regelmäßig Menschen massakrieren, die den hegemonialen Interessen, speziell der NATO-Staaten, im Weg stehen? Ich warte schon seit Jahren darauf, dass deutsche Medien mal darüber berichten, was der Überfall auf Lybien angerichtet hat. Das passiert natürlich nicht. Man sendet lieber peinliche Interviews von Claus Kleber und knöpft uns dafür noch Zwangsgebühr ab.

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