Lange Haare, Metal-Kutte und jede Menge Bier. Nein, die Rede ist nicht vom Wacken Open Air, sondern von den Hamburg Metal Dayz. Allerdings werden diese von den WOA-Machern organisiert. Mittendrin war dabei.
Bericht von André Petersen und Justus Ledig
Wenn die Macher des Wacken Open Air etwas anpacken, dann hat das in der Regel Hand und Fuß. So auch bei den dritten Hamburg Metal Dayz, die abermals parallel zum Reeperbahn Festival am 19. und 20. September die Fans härterer Gangart bedienten. Abseits der Konzerte von einem guten Dutzend Bands verstehen sich die Hamburg Metal Dayz durchaus als ganzheitliche Kulturveranstaltung, und so gibt es Podiumsdiskussionen mit den Machern der Szene, Workshops, Lesungen und einiges mehr im Rahmenprogramm. Schnell wird aber deutlich: So wichtig ist das Drumherum den meisten Metalheads nicht.
Los geht der ernste musikalische Teil der Hamburg Metal Dayz mit Beyond The Black, einen Nachrücker auf dem Programm. Die junge Band rund um die gerade erst 19-jährige Frontfrau hat noch kein Album auf dem Markt, dafür die Rückendeckung der WOA-Macher und durfte so ihre ersten beiden Gigs überhaupt auf dem großen Festival spielen. Beyond The Black spielen durchaus bemüht, reißen aber freilich noch nicht die metaphorische Hütte ab.
Besser machen ihre Sache Kryptos. Selbst langjährige Konzertgänger können sich nicht daran erinnern, mal eine Band aus Indien gesehen zu haben – eine Premiere. Sonderlich exotisch klingen Kryptos allerdings nicht, vielmehr bieten sie schnörkel- und tadellosen Thrash Metal der alten Schule. Mit sympathischen Ansagen und grundehrlichem Sound erobern die Inder die sich füllende Markthalle. Entsprechend ihrer Ausrichtung haben sich Kryptos auch optisch herausgeputzt. Überhaupt: Kutten und weiße Turnschuhe sind Anno 2014 wieder ein Riesending in der Metal-Szene!
Rahmenprogramm findet weniger Zuspruch
Zwischendurch darf der geneigte Fan, wie erwähnt, immer mal wieder seine Aufmerksamkeit auf Nebenschauplätze richten. Da werden die Macher des Wacken Open Air, Thomas Jensen und Holger Hübner, mit einigen wenigen Fragen gelöchert und man kommt relativ schnell darauf, über das Line-Up des WOA 2015 zu sprechen und den Chefs seine persönlichen Wünsche mitzuteilen. Später liest Fantasy-Autor Wolfgang Hohlbein vor ebenfalls nicht gerade viel Publikum aus seinem Werk und verschiedene Experten der Szene diskutieren über den zukünftigen Weg des Heavy Metal. Unterdessen melden die Hamburg Metal Dayz für den Freitag: ausverkauft!
Und das merkt man auch im großen Saal, als mit Dark Tranquillity der erste Hochkaräter aufspielt. Die Band aus dem schwedischen Göteborg zählte einst zu den Pionieren des Melodic Death Metal und kann sich auf eine beachtliche Fanschar verlassen. Das „Death“ im Genre bedeutet indes nicht allzu viel: Der Sound von Dark Tranquillity dürfte auch für Verächter härterer Kost erträglich sein und kommt live noch eine Spur harmonischer herüber. Das Markthallen-Team liefert dazu eine gefällige Abmischung, sodass der Auftritt zufriedene Gesichter hinterlässt – von einzelnen Songs sicherlich abgesehen, denn bei einem Vierteljahrhundert Bandhistorie und zehn Alben können eben nicht alle Wünsche bedient werden.
Edguy sind in bester Verfassung
An dieser Stelle darf man dem engen Takt der Hamburg Metal Dayz etwas Kritik entgegenbringen, denn viel Zeit zum Luft holen bleibt zwischen den Auftritten nicht und manche kleinere Bands werden gleichzeitig mit den Headlinern im MarX verheizt. Wer sich auch noch für das Rahmenprogramm interessiert, muss sich immer wieder entscheiden. Und so geht es ohne große Pause weiter mit Edguy, dem uneingeschränkten Headliner des Abends.
Ein frisches Album im Gepäck und zum ersten Mal damit auf Tour ist die Marschrichtung klar: Die Hessen machen Promo für „Space Police – Defenders Of The Crown“ und sind bester Laune: Sänger Tobias Sammet leistete sich den einen oder anderen Spaß auf Kosten der Hamburger. Edguy wären nicht Edguy, wenn sie nicht gewaltig Schalk im Nacken hätten, und so gibt man auch die Falco-Coverversion „Rock Me Amadeus“ zum besten. Nach dem letzten Song sind alle – Band und Publikum – verschwitzt bis auf die Knochen, aber nicht weniger zufrieden.
Sonnabend mit gemächlichem Start
Der zweite Tag der Hamburg Metal Dayz startet musikalisch etwas früher mit Alpha Tiger aus Sachsen. Die junge Power-Metal-Band konnte in den letzten Jahren auf einigen größeren internationalen Festivals spielen und hat 2013 bei Century Media auf einem großen und einflussreichen Label im Metal-Bereich ihr jüngstes Album veröffentlicht, welches sehr gute Kritiken bekam. Dementsprechend waren die Erwartungen groß und konnten von den Jungs, die ein wenig mit Stilelementen des Sleaze Rock spielen, auch erfüllt werden, für den Großteil des Publikums in der noch recht leeren Markthalle sicherlich ein guter Start in den Festivaltag.
Schließlich sind es HateSphere, die wieder für Lärm sorgen. Die dänischen Thrash Metaller um Sänger Esben Hansen, dessen ganz besondere Ausstrahlung wohl jedem in der Halle auffällt, gehört zwar nicht zu den ganz Großen ihres Subgenres – vielleicht aufgrund vieler Besetzungswechsel. Doch an diesem Sonnabend sind HateSphere laut, spielfreudig und haben viel Energie. Im sich weiter füllenden großen Saal kommt das Publikum ziemlich in Fahrt.
Im kleinen MarX wird unterdessen über den Status Quo der Metal-Medien debattiert und wohin die Reise im Print- und Online-Bereich gehen könnte. Auch hier gilt: Die Diskussion beschränkt sich auf das Podium und dreht sich daher minutenlang um sich selbst. Interaktion aus dem Zuschauerraum bleibt aus. Wer möchte, kann sich nebenan im Foyer kostenlos unter die Nadel eines Tätowierers legen, sofern das Wacken- oder Metal-Dayz-Logo als Motiv gewählt wird. Nur ein paar Schritte weiter gibt es die Möglichkeit fast alle Bands des Festivals zu treffen und sich Shirts oder Tickets signieren zu lassen. Alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Die Trolle sind los
Das Highlight am Sonnabend sind natürlich Finntroll. Zum zehnten Jahrestags ihres gefeierten „Nattfödd“-Albums zocken die durchgeknallten Folk Metaller einfach mal die ganze Platte von vorne bis hinten durch, um anschließend in aktuelleres Material einzusteigen. Mit Outfits zwischen Steampunk, Horrorfilm und Waldboden machen die Finnen auch optisch mächtig was her und um Feedback braucht die Band nicht lange zu bitten. Die Markthalle grölt, tanzt und schüttelt die Haare, dass es eine Freude ist. Egal aus welcher Schaffensperiode die Songs stammen, Finntroll verhexen ihr Publikum.
So gingen sie viel zu schnell wieder vorbei, die Hamburg Metal Dayz 2014 – auch wenn viele Besucher die Nachwirkungen in der Nackenmuskulatur noch immer spüren dürften. Nächstes Jahr gern wieder!
Foto: Justus Ledig
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