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Lüttville: Warten auf den großen Auftritt

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Frederic Zauels
@fredericzauels

Redakteur für Politik und Kultur | B.A. Politikwissenschaften, M.A. Journalistik | Kontakt: zauels@hh-mittendrin.de

Beim „Lüttville“  konnten Kinder aus Wilhelmsburg eigene Tanz-Choreographien einstudieren und Radioprogramme schreiben. Zum siebten mal ging die Ferienfreizeit des Dockville-Festivals am Samstag  mit einem großen Abschlussfest zuende. 

„Für die Kinder ist das, wie in den Urlaub fahren“, sagt Laura Raber. Die 29-Jährige ist Vorsitzende des Lüttville-Vereins und hat das gleichnamige Feriencamp, vor allem für Kinder aus Wilhelmsburg, ins Leben gerufen. In diesem Jahr organisiert sie die Ferienfreizeit in einem Quartett zusammen mit Eva Klauke, Jessica Knust und Saskia Veyhle. Für viele Kinder ist das Lütville der einzige Urlaub in den sechswöchigen Sommerferien. Dafür werden sie jeden Tag mit dem Bus abgeholt, um sich auf dem bunten Gelände des Dockville-Festivals gemeinsam mit anderen Kids austoben zu können. „Fast so wie Klassenfahrt“, sagen die meisten von ihnen.

Bei der Lüttville-Ferienfreizeit haben die Kinder die Möglichkeit, sich kreativ zu beschäftigen, den Schulstress bei Seite zu lassen und in der eigenen Stadt etwas Besonderes zu erleben. Das Angebot ist groß. Die Kinder beschäftigen sich als Architekten eines Baumhauses, bauen Beats und formulieren Texte für ihren eigenen Hit, studieren Tänze ein, schreiben eigene Theaterstücke und führen diese auch vor. Andere üben sich in der afro-brasilianischen Kampfkunst Capoera, präsentieren eine Zirkusshow oder bearbeiten selbst geschossene Fotos künstlerisch.

Beim Abschlussfest am vergangenen Samstag, den 26. Juli, wurden die Ergebnisse aus den Workshops präsentiert. Wie passend: Die Sonne schien, während in Hamburg bereits die „Beat Bad Boys“, die neuen Jan Delays und Samy Deluxe die Bühne rockten, sich eine neue Karin Beier als Intendantin des Schauspielhauses bewarb und die TänzerInnen des Workshops von HipHop-Academy-Mitarbeiter Tobias Galke die einstudierte Choreografie für die ganz großen Sternchen des Popgeschäfts vortanzten.

In diesem Jahr wurde zudem erstmals ein Radioprogramm auf die Beine gestellt, das sogar live bei Tide übertragen wurde. Dabei stand die Sendung der Jungjournalisten ganz im Zeichen des eigenen Feriencamps. Ausgestattet mit Mikrofon und Kopfhörer führten sie mit den CampteilnehmerInnen Interviews, um herauszufinden, was das Besondere an der Ferienfreizeit ist. Ihr Ergebnis: Die Gemeinschaft und der Zusammenhalt.

 

Seit sieben Jahren eine Institution in Wilhelmsburg

Das Lüttville gibt es bereits seit sieben Jahren. Gegründet wurde es vom Dockville-Mitinitiator Jean Rehders, der der Hansestadt nicht nur ein alternatives Festival schenkte, sondern sich zudem vor allem für sozial benachteiligte Kinder einsetzen wollte – das gelingt. Für alle ist das Feriencamp, an dem rund 150 Kinder von der Insel, aber auch von anderen Stadtteilen wie Billstedt oder Harburg teilnehmen, kostenlos. Rund 60 Betreuerinnen und Betreuer, viele davon ehrenamtlich, kümmern sich in der Zeit von Montag bis Freitag um die vier- bis 14-jährigen. In diesem Jahr waren auch Kinder dabei, die erst vor kurzem aus dem Bürgerkrieg in Syrien flüchteten.

Für das leibliche Wohl sorgen sieben Helferinnen, die dafür extra ihre Freizeit opferten. Es gibt ausschließlich fleischlose Kost, weil der Verein Lütville das beschlossen hat. Das soll nicht nur eine Form der frühkindlichen Sensibilisierung darstellen, sondern ist auch praktisch bedingt: Ohne Fleisch ist man schließlich bei allen Kulturen auf der sicheren Seite.

Die Kosten in Höhe von rund 50.000 Euro übernehmen Sponsoren. Doch jedes Jahr steht das Camp deswegen auch auf der Kippe. „Wenn wir nicht genügend Geld zusammen bekommen, müssen wir die Angebote für die Kids leider reduzieren. Dann müssten wir Kindern absagen und die Anzahl der Workshops zurückschrauben, das wäre nicht so schön“, sagt Raber. Dieses Jahr hat alles funktioniert, auch wenn einer der letztjährigen Hauptsponsoren, die Internationale Bauausstellung (IBA), die 2013 auf der Elbinsel stattgefunden hat, nicht mehr mitmachte. Deswegen, so sagt Raber, sei auch für das nächste Jahr noch nicht klar, wie das Feriencamp aussehen werde. „Die Planungen dafür beginnen jetzt schon“ sagt sie.

Nicht der letzte große Auftritt 

Doch für einige der FerienfreizeitlerInnen war das gestrige Abschlussfest der siebten Ausgabe vom Lüttville nicht der Schlussakkord des Camps, denn auf sie wartet noch ein Auftritt vor großem Publikum. Die Tänzerinnen und Tänzer werden voraussichtlich auf dem diesjährigen MS Dockville mit der deutschen Popband OK Kid auftreten, für die sie ihre Performance zum Song „Stadt ohne Meer“ einstudiert haben. Das bedeutet: Tanzen vor 5.000 bis 10.000 enthusiastischen FestivalbesucherInnen. In diesem Jahr werden sie nicht die einzigen auf den großen Bühnen des Festivals sein: Auch auf die Rapper der „Beat Bad Boys“ wartet mit dem Auftritt beim Dockville noch das bisherige Highlight ihrer jungen Musikerkarriere.

 

 

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1 Kommentar

  1. KatjaDo

    27. Juli 2014 at 21:50

    Laura Raber, nicht Laura Sperber… 😉

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