Politik

Attac reagiert auf mutmaßlichen Übergriff während einer Mahnwache

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Carolin Wendt

Redakteurin | Dipl.-Psychologin | wendt@hh-mittendrin.de | blog: http://lexy04.wordpress.com/

Am Freitag, dem 20. Juni fand am Spätnachmittag am Jungfernstieg eine Mahnwache anlässlich der drei in den autonomen Gebieten Palästinas entführten israelischen Jugendlichen statt. Während der Aktion kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Gegendemonstranten.

Kurz nach Beginn der Mahnwache um 17 Uhr kam es zu einem Übergriff auf einen jüdischen Teilnehmer. Der 83 Jahre alte Mahnwachen-Teilnehmer hatte zuvor einen Mann mit einem Schild, das zum Boykott Israels aufrief, angesprochen. Der Mann attackierte den 83-Jährigen daraufhin, wobei dieser zu Boden stürzte. Als die Tochter des Teilnehmers ihrem Vater zur Hilfe kam, trat der Angreifer auch sie. In kurzer Zeit versammelten sich weitere, fast ausschließlich ältere GegendemonstrantInnen. Eine von ihnen griff Tochter und Enkelin des Gestürzten verbal an.

Laut Ina Dinslage, Mitinitiatorin der Mahnwache und Sprecherin des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), befindet sich der Teilnehmer immer noch im Krankenhaus (Stand Sonntag). Gegen den Angreifer, der laut DIG, ein Mitglied der Gruppe Attac gewesen sein soll, wurde Strafanzeige erstattet.

„Wir wollten unsere Solidarität mit drei verschleppten Jugendlichen ausdrücken. Dass es dabei zu einem solchen unvermittelten antisemitischen Angriff auf einen Teilnehmer unserer Mahnwache gekommen ist, schockiert uns sehr“, sagt Ina Dinslage.„Bemerkenswert ist übrigens, dass dieses offen rassistische Delikt von Linken begangen wurde. Wir sind deshalb neugierig, wie der Verfassungsschutz den Angriff einstufen wird. Denn ATTAC bewegt sich hier auf braunem Terrain.“

Die einstündige Mahnwache wurde vom Jungen Forum der DIG und Hamburg für Israel e.V. organisiert, um Solidarität mit den entführten Jugendlichen zu bekunden. In Hamburg nahmen circa 35 Personen auf der Reesendammbrücke mit Plakaten, Transparenten und Handzetteln teil.

Inzwischen hat sich Attac mit einer Stellungnahme gemeldet, die wir hier im Wortlaut wiedergeben:

„Stellungnahme zu einem Vorfall am 20.6. in der Hamburger Innenstadt

Gegen die Einseitigkeit einer pro-israelischen Mahnwache der Deutsch-Israelischen Gesellschaft am 20. Juni für drei verschwundene israelische Jugendliche sind mehrere Menschen, die sich in der breiten Bewegung gegen die israelische Besatzung und insbesondere gegen die willkürliche Gefangennahme von Palästinensern engagieren, öffentlich aufgetreten. Zu dieser spontanen Demonstration gehörten einige attac-Mitglieder, Mitglieder der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft, zwei Israelis und weitere Menschen, sogar Passanten, die sich spontan angeschlossen haben. Entführungen von Jugendlichen sind selbstverständlich wann und wo auch immer zu verurteilen. Jedoch gilt es auch, zum einen die illegale Besatzung von Palästina durch den israelischen Staat und die Übergriffe gegen die palästinensische Zivilbevölkerung zu kritisieren, zum anderen auf die Situation von palästinensischen Jugendlichen aufmerksam zu machen, die willkürlich von israelischen Soldaten festgenommen werden (zurzeit ca. 200 Jugendliche in israelischen Gefängnissen, auch unter 14 Jahre alt). Weiterhin wollten wir dagegen protestieren, dass die israelische Regierung die palästinensische Bevölkerung kollektiv bestraft, und unsere Stimme gegen über 400 willkürliche Festnahmen erheben. Von den über 5000 Palästinensern in israelischen Gefängnissen sind Hunderte unter Administrativhaft gestellt, d.h. dass sie ohne Anklage oder Verurteilung jahrelang festgehalten werden können und auch werden.
 
Als wir zum Ort unserer Demonstration gingen, sind mehrere pro-israelische Demonstranten auf uns zugekommen, sie haben uns umkreist und uns als Antisemiten, Faschisten usw. beschimpft. Einer Teilnehmerin wurde mit einem Satz von Flyern ins Gesicht geschlagen. Einem Teilnehmer, der keiner der oben genannten Organisationen angehört, wurde das Transparent vom Rücken gerissen. Als er sich umdrehte, ist er mit einem Regenschirm bedroht worden und hat sich gewehrt. Dabei ist es zu dem Sturz des älteren pro-israelischen Demonstranten gekommen. Getreten worden ist niemand.
 
Die AG Palästina von Attac Hamburg verurteilt jede Form von Gewalt, bedauert den Vorfall und wünscht dem alten Herrn schnelle Besserung. Die AG Palästina steht für eine gewaltfreie, offene Debatte über den israelisch-palästinensischen Konflikt. Kritik an der Politik des Staates Israel ist kein Antisemitismus!“

Foto: Ina Dinslage

Kommentare anzeigen (16)

16 Kommentare

  1. ichoderdu

    22. Juni 2014 at 15:48

    Große Teile der sogenannten Hamburger Linken sind an ekelhaften Verhalten nur schwer zu überbieten. Vielleicht hättet ihr noch erwähnen sollen das es sich um Mitglieder von ATTAC Hamburg gehandelt hat (genauer von deren Palästina AG) .

    • Marvin Mertens

      Marvin Mertens

      22. Juni 2014 at 16:01

      Danke für den Hinweis, wurde bereits ergänzt.

  2. Gerd

    22. Juni 2014 at 18:15

    Alle Teile der Hamburger Rechten sind an widerwärtigem, menschenfeindlichen Verhalten nicht zu überbieten. Setzen wir mal vorraus, dass es sich bei dem Angreifer tatsächlich um einen Linken gehandelt hat und nicht um einen Agent Provocateur, der wusste, wie man mit wenig Einsatz zu Schlagzeilen kommt, so wird er in seinen linken Kreisen mit viel Ärger rechnen können. Ansonsten war diese Mahnwache wohl eine ziemlich alberne Aktion.
    Israel ist ein landraubender Apartheitsstaat. Proteste gegen Israels imperialistische Politik sind mehr als gerechtfertigt.

    • Thorsten

      23. Juni 2014 at 14:27

      Nach allem, was man weiß, war das ein in der Wolle gefärbter „Linker“, der sich übrigens auch im Umfeld einer gleichnamigen Partei bewegt. Das Gefasel vom Apartheidsstaat könnte übrigens auch von ihm stammen. Den Ärger, den sich dieser Mitmensch eingehandelt hat, bekommt er hoffentlich von der Staatsanwaltschaft und dem Richter. Oder gibts innerhalb des linken Milieus eine eigene Gerichtsbarkeit?

  3. Piet

    23. Juni 2014 at 08:59

    «Ansonsten war diese Mahnwache wohl eine ziemlich alberne Aktion.»

    Sollten ihre eigenen Kinder einmal betroffen sein, werden Sie sich ihrer Worte bitte erinnern.

    Eine sehr schöne Geschichte am Rande: Mehre vorbeikommende Jugendliche, um die 15 Jahre schätze ich, die man in der Zeitung wohl mit „südländisch“ oder „mit Migrationshintergrund“ charakterisieren würde, boten sofort ihre Hilfe an, fragten, ob wir ein Handy bräuchten, um ggf. einen Krankenwagen zu rufen, wollten dann wissen, was passiert war: „Aber einen alten Mann schlägt man doch nicht?!“, stellten sie wiederholt fest, und fragten noch mal dezidiert nach: „Also ihr, und der alte Mann, ihr steht da wegen der entführten Schüler? Und die dort sind dagegen?“ Es interessierte sie überhaupt nicht, dass die verschleppten Schüler Israelis und Juden sind, auch der Konflikt interessierte sie nicht, das spielte keine Rolle: Eine alten Mann schlägt man nicht, Schüler entführt man nicht, und wenn jemand Hilfe braucht, geht man nicht weiter, sondern bietet Hilfe an.

    Manche Erwachsenen könnten sich ein Beispiel nehmen.

    • Frauke

      23. Juni 2014 at 19:38

      Danke, das macht Mut!

  4. Ralf

    23. Juni 2014 at 11:45

    Was müssen das für armselige und geistig minderbemittelte Vollpfosten sein? Wenn das Attacleute waren, stelle ich für diese Organisation jegliche Unterstützung ein und da stehe ich garantiert nicht allein da. Es ging nicht um die Unterstützung der Israelischen Faschopolitik, sondern um drei entführte Jugendliche. Könnte kotzen !

  5. Thorsten

    23. Juni 2014 at 13:52

    Les extrêmes se touchent: In Sachen Antisemitismus stehen die Linken den Rechten in nichts nach.

  6. no border, no nation

    24. Juni 2014 at 11:12

    Die Leute, die hier mit Extremismus- und Totalitarismustheorien aufschlagen, sollten vielleicht erst einmal den Blick auf die gesellschaftliche Mitte richten, dann würden sie merken, dass Antisemitismus überall ein Problem ist, rechts und im „bürgerlichen Lager“ weitaus mehr als links. Und ATTAC und antiimperialistische Gruppen, deren Positionierung nicht selten antisemitische Töne produziert, sind zum Kotzen. Keine Frage!

  7. herr je

    24. Juni 2014 at 19:11

    „Bring our boys back“ ist eine plumpe, perfide Propagandakampagne für einen mordenden Besatzerstaat.

    • Thorsten

      25. Juni 2014 at 14:41

      entweder plump oder perfide. beides geht nicht. mein gott, sind die braunen doof…

  8. Helge

    25. Juni 2014 at 22:23

    Allein bei der Razzia, die Israel gerade in Palästina veranstaltet, haben die Israelischen Einsatzkräfte mindestens 4 Menschen umgebracht. Ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet Israel seit Jahren von Faschisten regiert wird. Natürlich mangelt es in Deutschland nicht an Faschisten-Verstehern, die den Verbrechen der der israelischen Administration auch noch applaudieren. Wir kennen das. Wo immer Mord und Totschlag im Kreise westlicher Interessengruppen praktiziert wird, gibt es nix zu kritisieren. Es geht ja nie um hegemonialen Einfluss, Rohstoffe und Absatzmärkte. NEIN! Wir verteidigen die Frrrreiheit und Demokrrrrratie und Menschenrrrrechte.

    Man schämt sich inzwischen, mit so viel ahnungslosen Untertanen und Antidemokraten in einem Land zu leben.

  9. Ralf

    27. Juni 2014 at 16:49

    Naja, ähhmmm, dass ist aus meiner Sicht, mehr Propaganda als eine klärende Stellungnahme. Kein Wort davon, dass die Typen zu persona non grata für Attac und der Arbeitsgruppe Palästina erklärt wurden und rausgeschmissen wurden.

  10. Christian

    27. Juni 2014 at 22:59

    Beim Gespräch mit zwei Teilnehmern der Mahnwache heute, klang das allerdings ganz anders: Dort wurde gesagt, dass es wohl eine verbale Auseinandersetzung gegeben hatte, allerdings ging die Gewalt von Teilnehmern der Gegendemonstranten aus. Da steht mal wieder Aussage gegen Aussage und die Staatsanwaltschaft wird der Sache wohl auf den Grund gehen… überflüssig das hier zu sezieren.

    Was allerdings bei dieser ganzen Sache schwierig nachzuvollziehen ist: Kaum einer bekommt Probleme, wenn er oder sie mit einer Palästinensischen Fahne spazieren oder demonstrieren geht oder wenn er eine islamische Gebetskappe trägt und das ist für ein freies Land gut und richtig. Allerdings geht man sehr wohl ein Risiko ein, ein sehr erhebliches sogar, wenn man gleiches mit einer israelischen Fahne tut oder in bestimmten Stadtteilen eine Kipa trägt. Es kam sogar vor, dass Polizeibeamte eine israelische Flagge aus dem Fenster eines Hauses entfernten, an dem die Route einer anti-israelischen Demo vorbeiführte (anstatt die Rechte des Mieters zu schützen).
    Besonders skurril wird es, wenn in den Kommentaren hier Israel pauschal als „Apartheitstaat“ beschimpft und der ganze Konflikt beharrlich nur von einer Seite aus betrachtet wird, denn so schwarz/weiß wie mancher sich das wünscht ist die ganze Sache eben doch nicht gelagert. Es gibt nicht „die Palästinenser“ und „die Israelis“, denn rücksichtslos zu morden versteht auch die palästinensische Seite und geht dabei nicht eben zimperlich vor. Als ich 2007 in Israel war, fuhr – ein paar Strassen von mir entfernt – ein Palästinenser mit seinem Bagger in eine Menschenmenge und über einige Autos und zerquetschte mehrere Menschen – eine Nachricht, die es nicht in die deutschen Medien schaffte. Die Raketen, die aus dem von den Israelis geräumten Gazastreifen durch die Hamas jahrelang nach Israel geschossen wurden und die Attentate auf Nahverkehrsbusse und Strassencafe`s und die pseudoreligiöse Glorifizierung der Mörder sind nur ein Bruchteil der Verbrechen der von bestimmten politischen Kreisen gerne totgeschwiegen oder in einem lapidaren Nebensatz bedauert wird.
    So sehr die israelische Besatzungspolitik abzulehnen ist, sorgen die Raketenangriffe aus dem von Israel geräumten Gazastreifen dafür, dass man sich in Israel fragt, ob bei einer Aufgabe der Westbank selbiges auch von dort droht. Ich jedenfalls würde mich das fragen, wenn ich 4 – 5 mal am Tag in meinen Betonbunker flüchten muss…
    Aber, unbestritten ist das die IDF nicht eben zimperlich ist und Menschenrechte mit Füßen tritt. Das ist nichts neues und selbst in der israelischen Armee gibt es wachsende Kritik an dem Vorgehen der IDF in Hebron und anderen Teilen der Westbank. All dies gibt es und diese Kritik ist möglich, ohne das die Soldaten dafür von den eigenen Leuten gefoltert und erschossen werden. Eine ähnliche kritische Nabelschau innerhalb der PA oder bei Hamas und Fatah ist lebensgefährlich für den Andersdenkenden…
    Ich denke, es wird für einige Gruppierungen – zu der ich auch Attac zähle (unabhängig davon, ob dieser Übergriff sich so zugetragen hat oder nicht) – ein wichtiger Schritt sein ebenso kritisch mit Fatah und Hamas umzugehen wie sie es mit Israel tut.

    Ich rate allen die

  11. oleg

    2. Juli 2014 at 10:01

    Israel – der Tinnitus der Welt. Das hysterische Gekreisch und Gegeifer israelischer Offizieller und angehängter Propaganda- und Lobbyorganisationen nervt nur noch. Ein Verbrechen bleibt ein Verbrechen und sollte geahndet werden. Allerdings nach Ermittlungen mit einem rechtsstaatlichen Prozess. Stattdessen wird dieser Anlass wieder genutzt, um die Propagandschleuder anzuwerfen und das palästinensische Volk mit Terror zu überziehen. Wer anderen Menschen das Land wegnimmt und das Wasser abgräbt, muss mit Widerstand rechnen. Das ist nicht nur im Nahen Osten so.

  12. Suzie

    5. Juli 2014 at 14:48

    http://tinyurl.com/lw7aqc6

    Einfach mal ein paar Einschläge merken, wäre von Vorteil.

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