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Rundgang: Auf den Spuren lesbischen Lebens in Hamburg

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Camilla Lindner
@CamillaLindner

Redakteurin | Studentin der Anglistik und Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: lindner@hh-mittendrin.de

Ein musikalischer Rundgang der Landeszentrale für politische Bildung durch die Hamburger Neustadt zeigt Plätze, an denen Frauen aufgrund ihrer Homosexualität diskriminiert wurden. 

„Lesbisch – Ja und?“, heißt der von der Historikerin Katja Nicklaus konzipierte Rundgang, der sich in der Neustadt auf Spurensuche der lesbischen Geschichte in Hamburg begibt. „Mich interessiert das Thema, da ich selbst lesbisch bin“, so Studentin Tamara am Startpunkt an der Petrikirche. Auch die 76-jährige Gyde ist sehr an dem Thema interessiert. „Mein Lehrer hat uns darüber nie aufgeklärt.“ Außerdem beklagt sie die vielen Vorurteile, die selbst ihre Mutter gegenüber Lesben hatte.

Der Rundgang führt durch die Europapassage, wo eine kleine Gedenktafel der Frauenrechtlerin Lida Gustava Heyman hängt, welche mit Anita Augspurg im Kaiserreich zusammen war. Zusammen gründeten sie den Verein für das Frauenwahlrecht. In der Öffentlichkeit offenbarten sie ihre Liebe jedoch nicht. Weiter geht es zum Hamburger Rathaus, welches einen politische Ort repräsentiert. Politisch hatten Frauen lange nichts zu sagen. 1919 trat jedoch die Lehrerin Helene Lange als erste Alterspräsidentin in die Hamburgische Bürgschaft ein. Zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Gertrud Bäumer setzte auch sie sich für die Rechte der Frau ein.

Musik aus dem Grammophon lässt die TeilnehmerInnen am Jungfernstieg in die Weimarer Republik reisen. Die Berliner Schauspielerin und Sängerin Claire Waldoff singt. Zu Beginn des Nationalsozialismus, 1933, wird die Frauenbewegung niedergeschlagen. Homosexuelle Frauen werden entwürdigt und zum Teil in Konzentrationslagern vergast.

Dunkelarrest in Farmsen

An der Stadthausbrücke hatte die Gestapo ihren Sitz und auf der Brücke wurden viele lesbische Frauen in Vernichtungslager gebracht. In der Gerhoffstraße rief eine Nachbarin die Sittenpolizei, da ihre Nachbarin einen Anzug trug. Sofort wurde diese als asoziales „Mannweib“ bezeichnet. Die dreizehnjährige Ingrid stand zu ihrer Hingezogenheit zu Frauen. Sie wurde jedoch sofort nach Farmsen in die Feuerbergstraße zu Dunkelarest gezwungen. Hier wurde sie nicht nur in Streifenklamoten als Stäflin entwürdigt, sondern unter der Juristin Käte Peterson zwangssterilisiert. Rund 1450 lesbische Mädchen hatte Peterson unter ihrer Kontrolle. Peterson bekam 1973 das Bundesverdienstkreuz, dass ihr jedoch wieder abgenommen wurde. Mit vielen dieser 1450 Akten beschäftigt sich Katja Nicklaus. Alle schaffe sie jedoch nicht- „Das hält man nervlich einfach nicht aus.“ Trotzdem sei es sehr wichtig, sich mit dem Geschehen auseinanderzusetzen. „Was war früher? Was darf heute nicht mehr geschehen“, sagt Nicklaus

Aus „Peterle“ wird „Petra“

Am Michaelisplatz gab es in den 1950er Jahren ein Stadtcasino, in dem Homosexuelle verkehrten. In dieser Zeit wurde auch das Magazin „Wir Freundinnen“ herausgebracht. Die kleine Taschenzeitschrift existierte jedoch nur einige Jahre. Das Lied von Mimi Thoma „Peterle“, dachten sich homosexuelle Frauen um. Aus „Peterle“ wurde in Gedanken einfach „Petra“.

Der letzte Halt des Rundgangs ist das Das Axel-Springer Gebäude. Hier titelte die BILD- Zeitung 1970 die Mordgelage der homosexuellen Frauen gegen Marion Ihns und Judy Andersen als „Das Verbrechen der lesbischen Frauen“ und „Hexenprozess von Itzehoe“. Lesbisch-feministische Gruppen protestierten jedoch gegen die Berichterstattung der BILD.

Wenige Informationen zum lesbischen Leben

Auch Paragraph 175, der sexuelles Handeln zwischen Männern bestrafte, wurde nie auf Frauen ausgeweitet. Diese bekamen erst gar kein „rechtliches“ Verfahren, sondern wurden sofort weggesperrt oder gar umgebracht. Erst 1998 wurde dieser komplett aus dem deutschen Strafgesetzbuch gestrichen.

„Man weiß leider viel zu wenig über das lesbische Leben der Frauen damals. Es gibt viel mehr Dokumente über Schwule“, so Christiane, die selbst Stadtrundgänge zu dem Thema Homosexualität in St. Pauli durchführt.

Info: Der Rundgang „Lesbisch- Ja und?- Eine historische Zeitreise durch die Geschichte lesbischen Lebens in Hamburg vom Kaiserreich bis in die Gegenwart“ findet nochmals am 09. Juli, 20. August, 24. September und 15. Oktober 2014 statt.

Wo? Beginn jeweils um 18 Uhr an der Petrikirche

Wieviel? Tickets für 5 Euro erhältlich bei der Landeszentrale für politische Bildung oder im JIZ, Dammtorwall 1

Foto: Camilla Lindner

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