Meinungen

Kommentar: Lieber Wähler, wir müssen reden

Meinungen
Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Mit gleich drei Abgeordneten zieht die rechtspopulistische Alternative für Deutschland in die Bezirksversammlung-Mitte ein. Zeit für ein klärendes Gespräch mit den Wählern, findet Dominik Brück.

Lieber Wähler,

wir müssen reden. Lange Zeit haben wir uns sehr gut verstanden. Wir haben zusammen gelacht, geweint und uns die Köpfe heiß diskutiert. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren – in welcher Beziehung ist das schon so – haben wir immer zwei Dinge gemeinsam gehabt: Alle vier bis fünf Jahre haben wir uns an der Wahlurne getroffen und populistischen oder radikalen Positionen unsere Stimmen verweigert. Sicher, es gab immer den braunen Mob der NPD, doch zum Glück sind die selbsternannten Herrenmenschen in Hamburg meist zu dumm das Wahllokal zu finden oder verfügen nicht über ausreichende Lesefähigkeiten, um den Wahlzettel auszufüllen. Es war deshalb meistens eine schöne Zeit, an die ich seit Sonntag mit Wehmut zurückdenke. Warum ich so ernst bin? Nun, wir haben uns auseinander gelebt – und glaub mir, es liegt an dir und nicht an mir. Wie ich so etwas sagen kann? Lieber Wähler, lass mich dir einmal erklären, was du am Sonntag gemacht hast.

Du hast es nicht für nötig gehalten, von deinem Recht zu wählen Gebrauch zu machen. Während in anderen Bezirken zwar immer noch zu wenige Menschen zur Wahl gegangen sind, hast du hier in Mitte den Vogel endgültig abgeschossen. 70 Prozent von dir haben es nicht geschafft ihren Arsch von der Couch zu bewegen und ein paar Kreuze zu setzen. Ich muss dir das so deutlich sagen, lieber Wähler, denn du bist nicht gegen die Demokratie, du bist einfach faul und glaubst, Bezirkspolitik sei nicht so wichtig.

Auch wenn wir uns darüber heftig gestritten hätten, wäre das allein noch nicht Anlass genug, so unfassbar enttäuscht von dir zu sein. Nein, du hast es nicht nur verpasst ein Recht wahrzunehmen, für das viele Menschen auf der Welt noch heute kämpfen müssen, du hast so dafür gesorgt, dass Hetzer, Angstmacher und Populisten in den kommenden fünf Jahren die Politik in unserem Bezirk mitbestimmen werden. Ganz recht, ich rede von der Alternative für Deutschland (AfD). Da du, lieber Wähler, dem Wahllokal so zahlreich ferngeblieben bist, hat es für die Rechtspopulisten gereicht ein paar Stimmen abzustauben, um als Fraktion in die Bezirksversammlung zu kommen.

Damit aber nicht genug: Die Nichtwähler trifft nicht die alleinige Schuld. Nein, lieber Wähler, es liegt auch daran, dass du einfach aufgehört hast nachzudenken. Fast 18.000 Stimmen hat die AfD in Hamburg-Mitte bekommen. Wofür frage ich dich? Das sogenannte Bezirkswahlprogramm der AfD in Mitte ist nicht mehr als eine zusammengeschusterte Wunschliste, die in den Ohren der Bürger möglichst seriös klingen soll. Selbst wenn man diese Forderungen tatsächlich umsetzen wollte, wäre mit viel Nachsicht nur für zwei von 13 Punkten die Bezirksversammlung das richtige Forum. Alle anderen Forderungen müssten auf Landesebene entschieden werden. Dass die Rechtspopulisten dabei unter anderem mehr oder weniger offen gegen Migranten hetzen, verschlimmert das Wahlergebnis nur noch.

Lieber Wähler, mit uns ist es also erst einmal aus. Vielleicht gebe ich dir aber im nächsten Jahr nochmal eine Chance. Bei den Wahlen zur Bürgerschaft hast du die Chance, mich vielleicht zurückzugewinnen, indem du fleißig wählen gehst und ein klares Zeichen gegen Populismus und rechtsgerichtetes Gedankengut setzt. Bis dahin bleibt nur, sich mit allen Mitteln unserer Demokratie gegen die Ideologie der AfD zu stellen. „Ort der Vielfalt“ steht auf einer Tafel im Sitzungssaal der Bezirksversammlung. Vielfältig und bunt soll Hamburg-Mitte auch bleiben. Für hellbraune Farbkleckse ist da kein Platz.

Dein,

Dominik Brück

Kommentare anzeigen (18)

18 Kommentare

  1. Ralf

    29. Mai 2014 at 10:31

    Dominik, im Prinzip hast Du völlig recht. Aber bedenke auch mal, wie oft wir BürgerInnen von Politikern nach Strich und Faden verarscht werden. Bezirk habe ich selbstverständlich gewählt, zur Eu – Wahl gab es quer über den Wahlzettel ein NO VOTE. Und den Adolfs für Dumme, werden in den kommenden Bezirksversammlungen währernd der Bürgersprechstunde richtig Feuer unterm Arsch machen. Und wie gesagt eine Medaille hat immer zwei Seiten.

    • Theresa Jakob

      29. Mai 2014 at 10:56

      Armleuchter für Doofe mit Aufmerksamkeit bedenken – NEIN DANKE
      Auf der Strasse ihnen mit aller Macht entgegentreten JA !!!

      Die wenige Zeit in den Bürgersprechstunden an die Rechts-POPO-Listen
      geben NIEMALS Es gibt genug Fragen an die anderen Fraktionen die für
      uns Bürger*innen wichtig sind

      • Ralf

        29. Mai 2014 at 13:16

        Hmm Jessica, dennen muss auch dort sofort klar gemacht werden, was wir von ihnen halten.

        • Ralf

          29. Mai 2014 at 16:26

          Ups, scheiss grauer Star, Namen verwechselt.

  2. jan

    29. Mai 2014 at 11:35

    Interessant im vorletzten Satz von Vielfalt zu schwadronieren, um direkt im nächsten Satz eine Gruppe auszuschließen. So kann man Vielfalt natürlich auch leben… Verschiedene Meinungen gerne, aber nur wenn sie zu meiner passen?!

  3. Petra

    29. Mai 2014 at 12:20

    Lieber Dominik,

    Es wäre schön gewesen, den Rant auf ganz Hamburg auszudehnen, wenigstens noch für Nord. Da wo ein Herr Eckleben (ehemals Vorsitzender der islamkritischen Partei „Die Freiheit“) jetzt 4 Jahre Politik machen darf.

    @Ralf… Genau diese dummdämliche Argumentation habe ich nicht erwartet. Natürlich werden wir oft, zu oft von Politikern verarscht. Und von der AfD nicht? Die sind schlimmer als alle anderen. Wenn Du erst einmal als „Nettostaatsprofiteur“ nicht mehr wählen darfst (Adam) oder Deine Niere zu Aufbesserung der Haushaltskasse verkaufst (Oberender), wirst Du sehen, dass nur dummes Stimmvieh bist… Genau wie bei jeder anderen Partei.

    Ich wüsste auch nicht nicht wirklich, für wen man heute noch eine Wahlempfehlung aussprechen sollte. Die AfD ist es auf gar keinen Fall. Nie und nimmer.

  4. Renate

    29. Mai 2014 at 14:11

    Lieber Dominik, das waren klare Worte. Was mich als Linke schmerzt, dass Falco Droßmann im Lichte der Niederlage der SPD ausschließt, mit der LINKEN und der AfD Gespräche zu führen. Ich finde es unglaublich und es wirft ein schlimmes Bild auf Herrn Droßmann, dass er zusammen mit der AfD die LINKE in den Mund nimmt.

    • Ralf

      29. Mai 2014 at 16:30

      Renate, König Falco Drosselbart ist ein reiner militaristischer Machtmensch aus dem rechten SPD Stall. Dem geht es nur um den Ausbau seimner persönlichen Macht, nicht um eine soziale und gerechte Gesellschaft.

  5. Bill

    29. Mai 2014 at 14:51

    „Alle vier bis fünf Jahre haben wir uns an der Wahlurne getroffen und populistischen oder radikalen Positionen unsere Stimmen verweigert.“

    Schon klar, einen Innensenator Schill hat es nicht gegeben. Und 1997 erreichte die DVU 4,96%, also mehr als die AfD heute mit 4,6%

    Ein Kommentar, der derartig an den Fakten vorbeiargumentiert ist nun wirklich nicht ernst zu nehmen.

    Und ganz nebenbei: Ich bin durchaus vom Sofa aufgestanden und habe mich ins Wahllokal bewegt. Da habe ich mich dann aber nur an der Europawahl beteiligt. Also Leuten, nur weil sie sich nicht so verhalten, wie Sie es gerne möchten, deshalb unterstellen, sie wären zu faul, vom Sofa aufzustehen, ist auch etwas sehr dreist.

  6. Maureen

    29. Mai 2014 at 15:34

    Lieber Dominik, ich schliesse mich den Worten von Renate vollständig an. Du hast klar und deutlich beschrieben, was eine gute Freundschaft ausmacht. Ich hoffe das sich die VolksvertreterInnen wieder darauf besinnen, was VolksvertreterInnen bedeutet!

  7. Andreas

    29. Mai 2014 at 15:58

    Lieber Dominik, am besten, Du löst die Bezirksversammlung auf und wählst Dir eine neue.

  8. Erich

    29. Mai 2014 at 17:18

    Endlich mal jemand, daer das schreibt was ich schon lange denke !! So jung wie ich geworden bin, hat es noch keine wahre Demokratie gegeben !! Denn es heißt ja: „Das die Demokratie vomn Volke aus geht“ !! Wo denn bitte schon, populistisch, braun, und was noch für Volksverhetzungen !! Und so etwas lassen wir noch zu, fast 70 Jahre nach dem Nationalismuß ?? Ob das was mit der Bildung zu tun hat, möchte ich hier doch bezweifeln !! Wir sollten uns doch alle mal in Frage stellen, was mit unserem Volk los ist ?? Ich bin gern hier geboren, weil man hier seine meinung sagen darf, und es gibt welche, die sagen sie gerne !! Egal welche blauen Augen wir bekommen, wir lassen solche politischen Dinge nicht mehr zu, ganz einfach !! Ich finde es gut, wenn sich Bürgerinnen sich solchen Pöbel in den Weg stellen, aber mir sind das immer noch zu wenig !! Ich verstehe vieles, denn ich bin auch nicht gut zu sprechen auf unsere Demokratie !! denn wir alle haben doch nichts zu melden, wir sind doch nur noch die Marionetten der Wirtschaft und Politik !! Das schlimme ist ja, das wir kein rausschmeißen können, wenn er seine politische Arbeit nicht macht !! Und dies müssen wir alle ändern wollen !! Weiter hin kann es nicht sein, das die weiter hin ihre bezüge bekommen, núr weil sie in irgendwelchen Parlamente gesessen haben !! Auch da mit muß endlich schluß sein !! es gib 6 Millonen Menschen in dieser BRD, die von Trandsfährleistungen leben müssen, die haben bestimmt eine bessere Politik verdient !! Aber deshalb Parteien wählen, die uns mehr schaden als Nutzen bringen, nee danke, das geht mir doch zu weit !!

  9. Pingback: Wochenrückblick Hamburg: Die Stadt dreht am Rad

Artikel kommentieren

Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Mehr in Meinungen

kampa

Kommentar: Lieber Senat, wie wär’s damit?

Marvin Mertens25. Juni 2016
Störte-Straße, Bild Erna Altona

Kolumne Wahnsinnsstadt: „Störtebeker“

Jan Freitag4. März 2016
Foto: Mariano Mantel, CC BY-NC 2.0

Kolumne Wahnsinnsstadt: „Hamburgs Innensenatoren“

Jan Freitag10. Februar 2016
Refugee Demo 14.11.15, Foto: Isabella David

Kolumne Wahnsinnsstadt: „Flüchtlingskinder“

Jan Freitag6. Januar 2016
Flüchtlinge Messehallen, Foto: Nadia Hafez

Gastbeitrag aus den Messehallen: „Wir sind keine wohltätige Logistikfirma“

Mittendrin22. Dezember 2015
Sicherheitskonferenz am 01.02.2014 in München. Foto: Tobias Kleinschmidt

Kolumne Wahnsinnsstadt: Helmut Schmidt

Jan Freitag2. Dezember 2015
Nolympia-Demonstration: "Weil Hamburg nur verlieren kann"

„Nein“ zu Olympia 2024: Warum das Votum richtig ist

Marvin Mertens30. November 2015
1-olympia_suedansicht_3d_a3

Kolumne Wahnsinnsstadt: „Olympia-Referendum“

Jan Freitag4. November 2015
1. Mai 2015, Never mind the papers, Foto: Henry Lührs

Kommentar: Den echten Leerstand nutzen

Isabella David8. Oktober 2015

Rund um Billstedt, Billbrook und Horn atmet die grüne Lunge der Stadt. In Hamm, Rothenburgsort, Borgfelde, Hammerbrook, St.Georg, der Alt- und Neustadt, und auf St. Pauli riecht und schmeckt man Hamburg an jeder Straßenecke. Die Hafencity glänzt und glitzert im Schatten der dicken Pötte und Kräne.

Die andere Seite der Elbe auf der Veddel, in Wilhelmsburg, auf dem Kleinen Grasbrook, in Steinwerder, Waltershof, Finkenwerder und auf der Insel Neuwerk lässt hanseatische Tradition spürbar werden.

Das ist Hamburg-Mitte, unser Bezirk inmitten einer lebhaften Stadt. So vielfältig wie seine Bewohner sind die Geschichten, die wir erzählen.

Mittendrin ist Name und Programm – täglich sind wir unterwegs und bringen euch spannende Reportagen, aktuelle Lokalnachrichten und ausdrucksstarke Bilder und Videos aus Hamburgs bunter Mitte.

Hamburger Geschichten

© 2012 - 2015 Mittendrin | Alle Rechte vorbehalten. Impressum - Umsetzung Politikwerft Designbüro.