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Freitags Montag – die Medienkolumne

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Jan Freitag

Freier Journalist und Autor | Blog: http://freitagsmedien.com/ | Schreibt bei Mittendrin über die "Wahnsinnsstadt" Hamburg und den wöchentlichen TV-Dschungel

freitagsmedien_Spukki-2_Seite_1Jan Freitag hat sich durch den Fernsehdschungel dieser Woche gekämpft und hat neue Aufgaben für das „Team Wallraff“ und ziemlich bescheuerte Filmtitel gefunden.

Wer die merkbefreite, aber beliebte PS-Show „Top Gear“ mal auf K1 gesehen hat, weiß, dass der Moderator Jeremy Clarkson kein Tabu unangetastet lässt. Nun aber hat er das böse N-Wort benutzt, leise nur, in einem nicht ausgestrahlten Teil der Sendung für infantile Machos mit großem Auspuff und kleinem Gehirn. Ein Skandal, ohne Zweifel. Dass die BBC ihrem Zugpferd für ein geflüstertes „Nigger“ mit Rauswurf droht, nicht aber für die dauernde Verherrlichung von Vollgas, Scheißegal und Testosteron, ist allerdings kein geringerer Skandal. Wenngleich ein ungesühnter. Solange die Quote stimmt…

Überzeugte überzeugen

Vielleicht sollte sich das „Team Wallraff“ in seiner nächsten Folge „Reporter Undercover“ also mal inkognito testen, wie wenig Intelligenz zwischen Bleifuß und Gaspedal passt. Das aber würde RTL wohl die Traumquote der Vorwoche vermiesen. Gut vier Millionen sahen, wie der Verkleidungsaktivist Pflegemissstände aufdeckte und man muss einräumen: Wenn ein Kommerzkanal mal etwas Ethik ins eigene Programm streut, hat das eine ungleich größere Wirkung aufs Publikum als bei den Öffentlich-Rechtlichen, die ja allenfalls Überzeugte überzeugen.

Das fällt umso mehr ins Gewicht, als das ZDF (das sich gerade mal wieder einen kleinen Skandal um Drehbücher des Mannes einer Redakteurin unter Pseudonym gönnt) tags drauf eine Reportage zu dem Thema gebracht hat, mit dem RTL die Woche zuvor für einen Sturm der Entrüstung gesorgt hatte. Während der private Konkurrent jedoch skandalöse Dinge aufgedeckt hat, beschränkte sich die gebührenfinanzierte „ZDFzeit“ bei „McDonalds gegen Burger King“ auf einen billigen Geschmacksvergleich.

Die debilsten Filmtitel

Da muss man glatt froh sein, dass das Sachfilmformat morgen wegen eines Fußballländerspiels Pause macht – sonst hätte das Zweite auf dem Sendeplatz womöglich die Live-Shows verschiedener ESC-Finales nach den Kriterien Pyrotechnik und Plastikpop verglichen. Oder die deutsche Teilnehmerin Elaiza mit Helene Fischer, deren Kirmespop im Rahmenprogramm auf der Hamburger Reeperbahn sicher mehr als den 18. Platz erreicht hätte. Oder auch, so als Anregung, die debilsten Filmtitel im hiesigen TV-Angebot. Sieger der Woche ganz klar: Die morgige Sat1-Komödie „Nein, Aus, Pfui! Ein Baby an der Leine“ über irgendwas mit Familienhunden. Und zwar klar vor „I Like the 90’s“, das sich fünf Mittwoche dem ästhetisch jämmerlichsten Jahrzehnt widmet, seit man Jahrzehnten überhaupt irgendeine Ästhetik zuordnet.

Vorn dabei im Ranking der dämlichsten Sendungsnamen wäre allerdings auch „Mörderische Hitze“, der im krassen Gegensatz zum feinen Understatement der „Spreewaldkrimis“ steht. Denn auch Christian Redls sechster Einsatz als Kommissar Krüger ist ja trotz aller sensorischen Reduktion ungemein eindrucksvoll und variiert sein Genre zudem sehr kreativ, indem der wunderbar schmierige Roeland Wiesnekker gleich zu Beginn als Täter feststeht. Nur ein Opfer muss sich halt noch finden lassen.

Auch „Ein todsicherer Plan“ fällt in die Kategorie „aufdringlicher Titel“. Zumal er inhaltlich nicht ganz korrekt ist. Denn als schwäbischer Handwerker, der sich von einer betrügerischen Bank sein sauer verdientes Geld zurückholen will, indem er sie überfällt, lässt Richy Müller schon nach fünf Minuten keinen Zweifel daran aufkommen, dass der todsichere Plan garantiert in die Hose geht. Gut gespielt ist der ARD-Mittwochsfilm trotzdem und außerdem ziemlich relevant in Zeiten biestiger Banken. Da verzeiht man dem Drehbuch sogar das hanebüchene Ende.

TV-Tipp der Woche

Eine Nachsicht, die man Lars von Trier nie zuteil kommen ließe fürs Finish all seiner Filme wie „Dancer in the Dark“ (Dienstag, 21.50 Uhr, Servus), deren fiktive Figuren grundsätzlich übel zugerichtet werden. Das widerfährt naturgemäß auch den meisten der 14 Tagebuchschreiber, mit denen Arte morgen wieder die Apokalypse des Ersten Weltkriegs erzählt. Und so richtig gut kommen auch die meisten Charaktere der schwedischen Science-Fiction-Serie „Real Humans“ nicht aus ihrer grandiosen Geschichte um durchdrehende Haushaltsroboter nicht raus.

Was da am Donnerstag um 21.45 Uhr auf gleichem Kanal in die 2. Staffel geht, wäre also zuweilen ein Fall für den „Tatortreiniger“, der eineinhalb Stunden zuvor bei EinsFestival eine vegane Leiche in Hamburg entsorgt, dem Ort also, der vor 40 Jahren mal kurz zu filmischem Weltruhm kam. Womit wir beim „Tipp der Woche“ wären: „Die Akte Odessa“ (Montag, 23.15 Uhr, N3), wo ein hanseatischer Journalist Jagd auf untergetauchte Nazis machte – und dem Wirtschaftswunderhamburg damit ein cineastisches Denkmal baute.

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