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Zwangsvollstreckungen wegen Studiengebühren-Boykott?

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Frederic Zauels
@fredericzauels

Redakteur für Politik und Kultur | B.A. Politikwissenschaften, M.A. Journalistik | Kontakt: zauels@hh-mittendrin.de

Studierende der Hochschule für bildende Künste, die Studiengebühren boykottiert haben, werden zwangsvollstreckt. Der wissenschaftliche Senat und die HfbK legitimieren diese Vorgehensweise mit dem früherem Hochschulrecht.

Gegenüber mehreren Hamburger Hochschulen ist ein Vorwurf verlautet worden. So heißt es, Studierende der Hochschule für bildende Künste (HfbK), der Hafen City Universität (HCU) und der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) werden zwangsvollstreckt, auch wenn die Gebühren-BoykotteurInnen eine Stundung, wie sie nach Landeshaushaltsordnung (LHO) möglich ist, angefordert haben. Dies sagen unter anderem der AstA der HfbK, ehemalige Studierende der Hochschulen und die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). Sie fordern stattdessen die Aufhebung vergangener – insbesondere verzinster – Studiengebühren, denn die Ausbildung müsse sozialverträglich sein und bleiben. Vor allem dürften Menschen mit einem schwächeren finanziellen Hintergrund nicht in die Privatinsolvenz getrieben werden. Durch die Zahlung der nachgelagerten Studiengebühren würden soziale Ungleichheitsverhältnisse reproduziert und der Weg in den Beruf versperrt, lautet der Vorwurf. Hintergrund ist ein Boykott der Studiengebühren von der Mehrheit der Studierenden der HfbK, welcher bereits seit dem Jahr 2007* aufrecht gehalten wird. Insgesamt stehen so laut einer Kleinen Anfrage der Linken an den Senat vom Juli 2013 noch 1330 Semestergebühren an der HfbK für die Jahre zwischen 2009 und 2012 aus. Betroffen seien aber nur circa 60-70 Studierende, so die Hochschule nach einem Bericht der taz. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass durch den Boykott der HfbK-Studierenden insgesamt 498.750 Euro an Studiengebühren ausblieben.

Senat und HfbK verweisen auf die Gleichbehandlung aller Studierenden

Die Forderung nach der Aussetzung der noch zu zahlenden Studiengebühren stellte das Bündnis dem Senat um Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt in einem offenen Brief. Auch die Linken vertreten diese Position und stellen für die kommende Bürgerschaftssitzung am 10. April einen entsprechenden Antrag auf Mediation und Aussetzung der Vollstreckung**. Mittlerweile solidarisierte sich auch der AstA der Universität Hamburg mit den Studierenden der HfbK. Die zuständige Wissenschaftsbehörde hingegen ließ verlauten, dass es für die Aussetzung keine Rechtsgrundlage gebe. Trotzdem lehnt sie die Studiengebühren als ein „falsches und unsoziales Mittel der Hochschulfinanzierung ab“. Aus diesem Grund sind diese vom Senat zeitnah zum Wintersemester 2012/2013 abgeschafft worden.

Allerdings verweist der Senat gleichzeitig darauf, dass die zuvor angefallenen Gebühren nach altem Recht erhoben worden sind und deshalb aus Gründen der Gleichbehandlung aller Studierenden, die einen entsprechenden Semesterbeitrag bereits bezahlt haben, auch von den BoykotteurInnen zu leisten seien. So hat der Rechnungshof der Hansestadt die HfbK aufgefordert, die Gebühren zu erheben und einzuziehen. Das geht aus dem Jahresbericht des Rechnungshofs 2013, Ziffer 266 hervor. Falls erforderlich soll die Eintreibung, so hat es die HfbK dem Senat zugesichert, auch auf einer „Durchsetzung im Mahn- und Vollstreckunswege“ vollzogen werden. Die HfbK bestätigte diese Vorgänge: „Auch nach Abschaffung der Studiengebühren im Oktober 2012 ist die Hochschule für bildende Künste Hamburg von Seiten des Hamburger Rechnungshofes gehalten, die noch ausstehenden Gebühren einzufordern.“ Weiter heißt es: „dennoch können wir die bestehenden Zahlungspflichten nicht einfach ignorieren, gerade auch nicht im Hinblick auf die Studierenden, die ihre Gebühren bezahlt haben“.

Zwangsvollstreckungen ohne Mahnungen

Die Vorwürfe gegen die Maßnahmen der Vollstreckung wiegen indes schwer. Eine ehemalige Studentin der HfbK und heutige freie Filmemacherin sagt: „Meine Bank hat mir mitgeteilt, dass ich einen Schufa-Eintrag habe, da mein Konto gepfändet wurde.“ Sie erhält als Berufsanfängerin nur ein geringes Einkommen und muss deshalb aufstockend auf Hartz-IV-Bezüge zurückgreifen. So waren die zusätzlichen Kosten „ein herber Rückschlag“ für sie. „Und es ist einfach nur unverschämt. Ich hatte die Studiengebühren nach Landeshaushaltsordnung (LHO) gestundet und hatte vor der Vollstreckung keine einzige Mahnung erhalten.“ Die Filmerin ist kein Einzelfall. Eine andere ehemalige Studentin berichtet von einer ähnlichen Vorgehensweise der Hochschule. Auch sie bezog Hartz-IV. Dabei wird im Gesetz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Studiengebühren ausgesetzt werden können, befinden sich die Studierenden in einer finanziell misslichen Lage oder beziehen Sozialhilfe.

Besonders werden ausländische Studierende behandelt. Die nachgelagerten Studiengebühren würden sogar zu Hausbesuchen von GerichtsvollzieherInnen führen, wie ein Student berichtet: „Ich wollte letztes Jahr stunden aber da gab es Probleme, weil ich nicht aus Deutschland komme. Die waren schon zwei Mal bei mir zu Hause und haben Sachen angeguckt. Ich habe dann bezahlt und hatte in der Folge kein Geld zum Leben.“

Die Hochschule für bildende Künste ignorierte indes laut dem Vorwurfsschreiben selbst rechtliche Schritte. Trotz eines noch nicht beantworteten Widerspruchsantrags einer weiteren ehemaligen Filmstudentin, wurde  ihr eine Androhung zur Vollstreckung durch die HfbK zugesendet. Die Hochschule reagierte irritiert auf die Vorwürfe und verweist darauf, dass der Widerspruch nach der Kasse Hamburg keine aufschiebende Wirkung habe.

Anfrage in Bürgerschaftssitzung am Donnerstag

Ob der Senat den Antrag auf die Aufhebung aller Studiengebührennachforderungen gemäß § 4 Absatz 2 der Studiengebührenverordnung bewilligt, bleibt fraglich, auch wenn die Forderungen nun auf einen Rechtstext fußen. In diesem heißt es, dass die Forderung nach Studiengebühren niedergeschlagen werden können, wenn keine Aussicht auf die Zahlung besteht, oder „die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zur Höhe des Anspruchs stehen (…)“. Die HfbK jedenfalls ließ verlauten, dass sie der Diskussion in der Bürgerschaft und mögliche Folgen „mit Interesse entgegen sehe“.

Anmerkungen:

* In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass der Boykott gegen Studiengebühren erst 2010 begann.

** Tatsächlich kann das AstA-Bündnis keinen Antrag in der Bürgerschaftssitzung stellen, wie zuvor vermeldet. Ihre Forderungen wurden dem Senat bereits zum zweiten Mal in einem offenen Brief mitgeteilt.

Foto: Hochschule für bildende Künste (HfbK) von Oxfordian Kissuth via Wikimedia Commons

Kommentare anzeigen (1)

1 Kommentar

  1. Charlotte

    6. Mai 2014 at 07:27

    Den Boykott der Studierenden kann man verstehen, denn vielen fehlen einfach die finanzielllen Mitteln und es kann doch nicht sein, dass nur derjenige, der das Geld hat, sich auch weiterbilden kann.

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