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Sponsoring von Kultur: Wie frei ist die Kunst?

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Frederic Zauels
@fredericzauels

Redakteur für Politik und Kultur | B.A. Politikwissenschaften, M.A. Journalistik | Kontakt: zauels@hh-mittendrin.de

Die Vattenfall-Lesetage sind Geschichte und finden ab diesem Jahr nicht weiter statt. Für die Kritiker der Kulturveranstaltung ein Grund zur Freude und ein Anlass über Sponsoring von Kunst und Kultur durch Großunternehmen im Allgemeinen nachzudenken.

In Hamburg finden derzeit die Hamburger-Energie-Wechsel (HEW) Lesetage statt. Jahrelang gab es in Hamburg eine weitere Leseveranstaltung: Die Vattenfall-Lesetage, dessen Namesgebung dem schwedischen Stromkonzern Vattenfall, gleichzeitig Hauptsponsor, vorbehalten war. Ab diesem Jahr ist das anders. Die Vattenfall-Lesetage existieren nicht mehr. Die Gründe für ihr Ende sind vielfältig: Sie reichen von einer unglücklichen Mail der ehemaligen Kuratorin Barbara Heine, die die Gegenveranstaltungen der HEW als „linksradikal“ diskreditiere, bis zum Rückkauf der Hamburger Stromnetze durch den Senat. Lange Zeit waren die Lesetage durch die Organisatoren der Gegenveranstaltung kritisiert worden – insbesondere der Sponsor Vattenfall war dabei immer wieder Anlass für die Kritik.  Aus Sicht der Gegner habe Vattenvall versucht das Unternehmensimage durch kulturelle Veranstaltungen aufzupolieren und dabei besonders von umweltschädlichen Energiegewinnungen wie Kohle- und Atomkraft abzulenken – sogenanntes „Greenwashing“. Das Ende der Vattenfall-Lesetage beendet aber nicht die Debatte darüber, wie die Freiheit von Kunst und Kultur angesichts von Unternehmensinteressen der Sponsoren gewahrt werden kann.

Sponsoring bleibt wichtige Geldquelle

Die Veranstalter der HEW Lesetage präsentieren sich selbstbewusst. Sie sind stolz, dass Vattenfall aufgrund ihrer Kritik die Förderung der Hamburger Lesetage beendete. „Hamburg habe genügend Ressourcen“, heißt es deshalb auf der eigenen Homepage, „um Kultur und speziell Lesekultur auch ohne den Namen des Energieriesen hervorbringen zu können“. Deswegen startete die Hamburger Initiative bereits im Jahr 2010 den Versuch für einen Boykott der Vattenfall Lesetage aufzurufen. Das Ende der Vattenfall-Lesetage bleibt aber die Ausnahme. Sponsoring von kulturellen Veranstaltungen bleibt weiter eine wichtige Finanzierungsquelle für Eventveranstalter und KünstlerInnen.

So zum Beispiel auch bei der aktuellen Ausstellung „Feuerbachs Museen, Lagerfelds Models“ in der Kunsthalle Hamburg. Hinter der noch bis zum 15. Juni 2014 laufenden Ausstellungen stecken sogar mehrere Geldgeber wie Audi und die Deutsche Bank. Dabei bewegen sich Kultureinrichtungen, die finanzielle Hilfe annehmen, oftmals auf einem schmalen Grat. Einerseits sind sie wegen der zumeist mangelnden Unterstützung von öffentlicher Seite darauf angewiesen ihre Ausstellungen und Veranstaltungen durch das Sponsoring von Unternehmen unterstützen zu lassen, andererseits möchte gerade eine kritische Kunst mit dem Werben von Unternehmen nicht in Verbindung gebracht werden. Die Kunst könnte die Freiheit ihrer Art und Aussage verlieren, würden Unternehmen bewusst nur jene Formen der Kunst fördern, die unkritisch sind – denn welche Art von Veranstaltung finanziert wird, entscheiden die Unternehmen selbst.

Diskussionsrunde zum Thema „Kunst oder Knechtschaft“

Es ist daher umso schwieriger eine Trennlinie zwischen dem Bezugssystem der Kunst und ihrer Freiheit zu ziehen. Der Hamburger Verlag Edition Nautilus beteiligte sich an den Protesten gegen die Vattenfall-Lesetage. Seine Verlagsgründerin Hanna Mittelstädt hinterfragt jedoch gleichzeitig die Konzepte der Kommune zur Finanzierung von Kunst. Letztendlich entscheide der individuelle Künstler selbst, ob er „auf ein Podium gehe, auf dem Vattenfall draufsteht“, sagt Mittelstädt auf einer Podiumsdiskussion zum Thema „Kunst oder Knechtschaft“ der HEW-Lesetage. Es sei eine politische und persönliche Entscheidung, die natürlich auch finanzielle Fragen betreffe. Der Schrifsteller Michael Jürgs hat sie letztes Jahr getroffen und seine Teilnahme an den Vattenfall-Lesetagen in der FAZ begründet. Er wolle sich keine Meinung aufzwingen lassen, sagt Jürgs. Ohne finanzstarke Mäzene wäre Kultur der Unwilligkeit der Politik wegen vielerorts verschwunden. Er findet es müßig darüber zu entscheiden welches Geld von Guten und welches von Bösen komme. Geld an sich sei nicht dreckig, sagt deshalb Melissa Logan von der Popband „Chicks on Speed“. Für den Künstler werde es nur dann problematisch, wenn er den Konflikt eingeht, sich vom Konzern für seine Kunst einbinden zu lassen.

Gerade vor dem Hintergrund verschuldeter Haushalte und sinkender Investitionen im kulturellen Bereich bleibt das Thema aktuell und wird auch in Zukunft weiter diskutiert werden. Es muss jedoch auch hinterfragt werden, ob die Förderung von staatlicher Seite nicht in die Freiheit der Kunst eingreift – und ob Kunst wirklich gänzlich frei sein kann.

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