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Verändert Bürgerbeteiligung die Asylpolitik? Wohl nur zum Teil

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Camilla Lindner
@CamillaLindner

Redakteurin | Studentin der Anglistik und Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: lindner@hh-mittendrin.de

Am Mittwoch gab es parallel zur Grundsatzrede von Olaf Scholz im KörberForum eine Diskussion zum Thema “Verändert Bürgerbeteiligung die Asylpolitik?“. Interessantes Thema, leider ohne wirkliche Tiefe.

Das KörberForum war voll, aber nicht bis auf den letzten Platz besetzt, das Publikum bunt gemischt und eher älteren Durchschnittes. Zu Gast waren der Hamburger Staatsrat (Innenbehörde) Volker Schiek, Günter Burkhardt und der Wissenschaftler des Institutes für Protest- und Bewegungsforschung in Berlin, Simon Theune. Peter Ulrich Meyer, Leiter des Landespolitik-Ressorts beim Hamburger Abendblatt, moderierte die Diskussion. Christian Wied eröffnete die Veranstaltung: Ein „heißes Eisen“ sei die Asylpolitik. 127.000 Asylanträge seien 2013 in Deutschland gestellt worden. In Hamburg waren es 3600. Diese Flüchtlinge kosteten Hamburg 130 Millionen Euro. Zahlen und Fakten. Das beschreibt die geführte Hamburger Asylpolitik wohl ganz gut. Doch was sind schon Zahlen und was ist überhaupt Fakt?

Burkhardt fügte so gleich hinzu, dass die genannten 3600 Flüchtlinge hier in Hamburg „übrig geblieben sind“. Eigentlich wollten doppelt so viele Flüchtlinge in Hamburg bleiben. Diese wurden jedoch auf andere Bundesländer aufgeteilt. In Hamburg leben zurzeit 200 bis 300 sogenannte Lampedusa- Flüchtlinge, mit denen „der Senat hart umgeht“, so der Moderator.

„Je weiter im Süden, desto einfacher regelt man Probleme“

Doch mal kurz: wer sind eigentlich die Lampedusa- Flüchtlinge? Die Flüchtlinge kommen ursprünglich aus dem afrikanischen Libyen. Dort sind sie Opfer eines Bürgerkrieges geworden und sind nach Italien, auf die italienische Flüchtlingsinsel Lampedusa geflüchtet, auf der sie einen Schutzstatus bekamen. „Dort bekamen dann alle 500 Euro in die Hand und es hieß, dass sie nun damit reisen könnten“, so Schiel. Im März 2013 kamen diese Flüchtlinge nach Hamburg und warten seitdem immer noch auf eine Aufenthaltsgenehmigung. Man hätte eine schnelle Lösung für die Flüchtlinge finden können, so Burkhardt. Probleme seien doch lösbar. „ Je weiter im Süden, desto einfacher regelt man Probleme“, meinte er. Das Publikum lacht. Auch Theune stimmte Burkhardt zu. „Wenn ein politischer Wille da gewesen wäre, hätte man auch eine Lösung gefunden.“ Es gebe eine starke Frontstellung zwischen der linken, alternativen Szene und dem Senat, so Theune. Außerdem kritisierte er die Polizei, die politisch gar nicht gesteuert werde. Schiek widersprach, traff auf Gelächter des Publikums. Er verwies auf die Angriffe auf die Polizei. Und auf einmal drehte sich die Diskussion um die Proteste und den vermeintlichen Angriff auf die Davidwache.

Warum bekomme die Gruppe Lampedusa eigentlich so viel Aufmerksamkeit, fragt Meyer. Weil die Flüchtlinge aufgrund des langen Wartens und der Einstellung des Senats diese benötigten, so Theune. Das sei ein symbolisches Zeichen der Bürger zur aktuellen Politik des Senats. Nicht nur die Menschen auf den Demos, die für die Rechte der Asylanten protestieren, setzten sich für die Rechte der Flüchtlinge ein. Das Thema bewege länderübergreifend.

Es wurde weiter diskutiert oder kleine Monologe geführt: Asylpolitik wird als Abschreckungspolitik bezeichnet. Es wird dem Hamburger Senat vorgeworfen, zu wenige Flüchtlinge aufzunehmen und zu wenig Geld zu investieren. „Dass alle Flüchtlinge nach Deutschland wollen, stimmt übrigens nicht“, so Burkhardt und weiter: „Dieses Europa verletzt Menschenrechte“. Wied sah das alles gar nicht so kritisch. Er bezeichnete die von 100- 200 Flüchtlingen bewohnten Heime auch als keine Lager: „Wir haben keine Flüchtlingslager und wie bieten medizinische Versorgung für die Flüchtlinge“. Weitere Informationen zur genauen medizinischen Versorgung bot er nicht.

Ein Herr fordert Asylrecht auf Zeit

Ein Mann aus dem Publikum unterschied zwischen „Kriegsflüchtlinge“ und „Arbeitsflüchtlinge“. Die Lampedusa Flüchtlinge fallen in das Erstgenannte. Ein anderer Mann bezeichnete die Zahl der Flüchtlinge in Hamburg als “Witz“ und „bürokratisches Hindernis“. Eine Dame hinterfragte die geplante und mittlerweile verworfene Vertreibung der alten Menschen aus dem Pflegeheim Lutherpark in Bahrenfeld, damit Flüchtlinge dort unterkommen können, kritisch. Ein älterer Herr schlug vor, Flüchtlinge in Hamburg aufzunehmen und sie, wenn der Krieg vorbei ist, wieder zurückzuschicken. Unterbrochen von Buh-Rufen, fügte er hinzu, dass man dann weitere Kriegsflüchtlinge aufnehmen könne. Diese Anfrage des Asylrechtes auf Zeit bezeichnete auch Wied als unmenschlich.

Zurück zur eigentlichen Diskussion

Die Lösung sei eine sofortige Aufenthaltsgenehmigung mit Arbeitsverhältnis, so Burkhardt. Also ein generelles Umsteuern der Flüchtlingspolitik. Gegen Ende der Diskussion, die eher einem „ich sage alles zum Thema Flüchtlingspolitik“ ähnelte, verwies Theune auf die doch eigentliche Fragestellung der Diskussionsrunde. Die war nochmal? Ach genau: Verändert Bürgerbeteiligung die Asylpolitik? Nein, der Bürger habe zum Teil keine Macht, so Theune. Der Abend endete bei obligatorischem Wein- oder Orangensafttrinken, bei welchem man sich über die Diskussion weiter austauschte. Oder in diesem Fall erst einmal mit der Diskussion beginnen kann.

 

Foto: Jann Wilkens

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