Politik

Großveranstaltung im Portugiesenviertel: Mangelndes Verständnis

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Die Planungen des Generalkonsulates der Republik Portugal, in der Neustadt ein Fest mit rund 40.000 BesucherInnen zu feiern, stoßen bei den AnwohnerInnen auf Ablehnung. In der Stadtteilkonferenz prallen die Vorstellungen beider Seiten in einer hitzigen Debatte aufeinander.

Manuel Correia da Silva vom portugiesischen Generalkonsulat in Hamburg versteht nicht, warum seine Pläne für ein Fest zum 50-jährigen Jubiläum des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und Portugal so scharf kritisiert werden. Für ihn war die Wahl des sogenannten Portugiesenviertels in der Neustadt eine Selbstverständlichkeit: „Hier riecht und schmeckt es überall nach Portugal“, schwärmt da Silva. Diese Atmosphäre sei perfekt, um über das Pfingstwochenende die deutsch-portugiesische Freundschaft zu feiern, erläutert der Vertreter des Konsulates und führt am Dienstag auf der Stadtteilkonferenz der Neustadt in einem längeren Monolog die lange Geschichte aus, die Hamburg und Portugal verbindet. Das wollen die AnwohnerInnen jedoch gar nicht hören. Die Stimmung ist gereizt, immer wieder unterbrechen Zwischenrufe den Vortrag. Es ist eine lange angestaute Frustration, die an diesem Abend da Silva trifft – ganz unschuldig an der Situation ist der jedoch auch nicht.

„Wir sind überstrapaziert“

„Unser Protest richtet sich nicht gegen eine Bevölkerungsgruppe, sondern gegen die Art und Weise der Planung und Durchführung“, erklärt Ingo Riecke, der seit 20 Jahren im Viertel lebt. Es sei den AnwohnerInnen egal aus welchem Anlass hier eine Veranstaltung geplant werde. „Wären es Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit, würden wir auch protestieren“, sagt Riecke. Die BewohnerInnen der Neustadt haben genug von den ständigen Großveranstaltungen, die am laufenden Band vor ihrer Haustür stattfinden. Hafengeburtstag, Cruise Days oder die Harley Days sind nur einige Beispiele, die genannt werden. „Wir sind einfach komplett überstrapaziert mit Großveranstaltungen“, sagt eine Anwohnerin. Lärm, Verkehrsprobleme und die Verschmutzung des Viertels seien immer die Konsequenz solcher Veranstaltungen.

Hinzu kommt, dass die AnwohnerInnen sich nicht ausreichen informiert und beteiligt fühlen. Am 10. Februar treffen sich Vertreter des Konsulats bereits mit einigen Gastronomen des Portugiesenviertels und besprechen die Planungen für das Fest. BewohnerInnen und das Bezirksamt sind nicht an dem Gespräch beteiligt. Schnell verbreiten sich Gerüchte im Stadtteil, die Ängste vor dem bevorstehenden Großevent schüren. Zeitweise ist von Planungen mit bis zu 100.000 BesucherInnen die Rede.

Kulturfest statt „Fressmeile“

„Es sind Fehler gemacht worden, man hätte früher mit ihnen sprechen müssen“, gibt Uwe Bergmann zu. Der Event-Manager, der unter anderem Veranstaltungen wie die Harley Days organisiert, ist durch das Konsulat mit den Planungen für das Fest beauftragt worden, nachdem bereits zwei andere Eventagenturen von der Aufgabe zurückgetreten sind – die Gründe sind nicht bekannt. „Es ist keine Frage, dass dieses Fest für alle die dort leben unbequem ist“, so Bergmann weiter. Dennoch ist der Eventplaner bemüht, die Dimensionen der Veranstaltung zu relativieren.

Es soll insgesamt vier kleine Bühnen verteilt im Stadtteil und eine Hauptbühne auf der Michelwiese geben. Die folgenden Straßen sollen während der Veranstaltung gesperrt werden: Dittmar-Koel-Straße, Reimarusstraße, Rambachstraße, Karpfangerstraße, Brauerknechtgraben und Wolfgangsweg. Die Sperrung soll am 6. Juni um 18 Uhr beginnen und bis zum 9. Juni um 4 Uhr morgens bestehen bleiben. Insgesamt soll sich das gesamte Fest auf einer Fläche von 8000 Quadratmetern abspielen. Rund 40.000 BesucherInnen erwartet der Veranstalter insgesamt. „Das hat nichts mit Kommerz zu tun, die Veranstaltung hat eine eigene Seele“, sagt Bergmann.

Da Silva kann nicht verstehen, was die BewohnerInnen so aufbringt und schwärmt von portugiesischem Essen, Volkstänzen, Lesungen und Fado-Darbietungen. „Einen Bratwurststand werden sie auf diesem Fest nicht finden“, sagt da Silva. Stattdessen würden hauptsächlich Gastronomen aus dem Viertel ihre Speisen anbieten. Es sei ein Kulturfest, keine Fressmeile wie in der Presse behauptet. Auch die Stadtteilschule Am Hafen werde an dem Fest beteiligt. Besonders die Jugendlichen Gäste will der Vertreter des Konsulates am späten Abend mit einem Trick aus dem Viertel locken, um für Ruhe zu sorgen: „Es wird eine portugiesische Disco geben, zu der alle Jugendlichen später gehen werden“, erläutert da Silva.

Sorgen vor einer zweiten Love-Parade

Nicht nur die AnwohnerInnen wollen von den Plänen des Konsulats überzeugt werden, auch die Bezirkspolitik und das Bezirksamt müssen der Veranstaltung zustimmen. Bedenken gibt es hier reichlich: „Ich halte den Standort für zu klein, das ist gefährlich“, sagt Lothar Knode, Bezirksabgeordneter der Grünen. Der Politiker und viele AnwohnerInnen sorgen sich, dass in den engen Straßen der Neustadt die Sicherheit von BesucherInnen und BewohnerInnen nicht ausreichend gewährleistet werden kann. Assoziationen mit der Love-Parade in Duisburg werden wach, bei der in einem engen Tunnel 21 Menschen im dichten Gedränge zu Tode kamen.

Die AnwohnerInnen befürchten, dass die Veranstalter sowohl die Teilnehmerzahlen, als auch die Gefahren unterschätzen. Am Pfingstwochenende sei mit wesentlich mehr als 40.000 BesucherInnen zu rechnen. Zudem könne man keine ausreichenden Rettungswege garantieren. „Wir wissen nicht, wie viele Menschen wirklich kommen, aber wir haben Erfahrungswerte“, gibt Bergmann zu. „Sicherheit ist das oberste Gebot, wenn wir die nicht gewährleisten können, werden wir von der Veranstaltung Abstand nehmen“, so Bergmann weiter.

Weitere Gespräche geplant

Die Gespräche mit der Feuerwehr und der Polizei stehen noch aus. Auch die Bezirkspolitik hat noch kein abschließendes Votum über die Veranstaltung gefällt. „Wir müssen jetzt schauen, ob und wie man das realisieren kann“, sagt Arik Willner, Bezirksabgeordneter der SPD. Die Politiker können jedoch nur eine generelle Tendenz an die Verwaltung weitergeben, entscheiden muss letztlich das Bezirksamt. „Sie können sicher sein, das hier nichts genehmigt wird, das gefährlich ist“, sagt Willner.

Auch Konsulatsvertreter da Silva hat am Ende der Veranstaltung eingesehen, dass seine Planungen wohl nicht optimal waren. „Ich habe vieles gehört, dass ich nachvollziehen kann. Wir sind gerne bereit zusammen mit den AnwohnerInnen über Veränderungen zu reden“, sagt er. In der kommenden Woche soll es eine Informationsveranstaltung für die BewohnerInnen des Viertels geben. Acht Wochen vor der Veranstaltung müssen die endgültigen Pläne zur Genehmigung beim Bezirksamt liegen. Ein wenig Zeit bleibt also noch für Gespräche – und für den Versuch sich in gegenseitigem Verständnis zu üben.

Foto: Northside at the German language Wikipedia [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)], via Wikimedia Commons

Kommentare anzeigen (4)

4 Kommentare

  1. Jörn

    26. Februar 2014 at 10:06

    Es gab klare Vorgaben an den Veranstalter; bereits vor Wochen. Und insbesondere die Einbeziehung der Anwohner war ein entscheidender Punkt. Warum dies angeblich bisher nicht bekannt war bleibt ein Geheimnis. So jedenfalls kann die Veranstaltung nicht genehmigt werden.

  2. Ralf

    26. Februar 2014 at 18:08

    So ganz in echt und ehrlich, wie meine Tochter zu sagen pflegt, alleine die Aussage von diesem Ingo Riecke, dass wir nichts gegen diese Bevölkerungsgruppe ( Portugiesen) haben, zeigen wessen Geistes Kind er ist und löst bei mir Brechreize aus. Ich finde die Idee dieser Veranstaltung super und so ein abfeiern ist allemal besser als die Prügelorgien der Polizei.Weiter möchte ich mich dazu besser nicht äussern

  3. Jutta

    26. Februar 2014 at 21:43

    Danke für den Artikel der ziemlich gut die Stimmung und die Argumente der beteiligten widerspiegelt. Es wäre noch hinzuzufügen, dass viele Bewohnerinnen um die Sicherheit im Viertel besorgt sind, wenn so viele der ohnehin sehr engen Straßen gesperrt sind (Feuerwehr, rettungswagen kommen nicht durch). Es gab auch konstruktive Vorschläge die zum Inhalt hatten, dass die Planung etwas eingedampft werden könnte und nur ein Tag direkt im Viertel gefeiert wird. Viele Aktivitäten könnte man auch in die Umgebung auslagern, das würde die Belastungen für die Bewohnerinnen verringern.

  4. Flo

    27. Februar 2014 at 16:29

    Macht Portugal einfach zum Partnerland des diesjährigen Hafengeburtstages und legt die Feierlichkeiten auf die Kehrwiederspitze. Damit käme es zu keiner z u s ä t z l i c h e n Beeinträchtigung der tatsächlich stark belasteten Anwohner im „Portugiesenviertel.

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