Politik

Neumann sieht kein Fehlverhalten der Polizei

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Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Am Montagabend befasste sich der Innenausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft mit den Ereignissen bei den Protesten am 21. Dezember 2013. Polizeiführung und Senat nahmen Stellung zum Polizeieinsatz. Innensenator Michael Neumann (SPD) machte deutlich, dass er keinerlei Fehlverhalten bei der Polizei sieht.

Der Kaisersaal im Rathaus ist am Montagabend bis auf den letzten Platz besetzt, viele BesucherInnen haben sogar auf dem Boden platzgenommen. Sie sind gekommen, um zu erfahren, was bei der Demonstration am 21. Dezember 2013 passiert ist und was die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft unternehmen, um die Ereignisse rund um die Proteste aufzuklären. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses wurde der Innenausschuss, der sich fast drei Wochen nach der Demonstration im Rahmen einer Selbstbefassung mit dem Thema beschäftigt, in den Kaisersaal verlegt. „Ein Angriff auf die Polizei ist ein Angriff auf uns alle“, sagt Innensenator Michael Neumann (SPD). In aller Deutlichkeit verurteilte Neumann die Gewalt gegen PolizeibeamtInnen in Hamburg. Die Eskalation bei der Demonstration am 21. Dezember habe für ihn bereits in dem Moment begonnen, als Polizisten von VersammlungsteilnehmerInnen als „Bullen“ bezeichnet worden seien. „Es hat hier eine Eskalation der Gewalt gegeben, die ich in Deutschland und allgemein in Mitteleuropa nicht für möglich gehalten habe“, sagt der Innensenator weiter.

Der 21. Dezember 2013 aus Sicht der Polizeiführung

Bereits vor der Demonstration habe es zahlreiche „Mobilisierungsstraftaten“ gegeben, Delikte also, die aus Sicht der Hamburger Polizei mit der Demonstration am 21. Dezember in Zusammenhang standen. Zu diesen zähle auch der Angriff auf die Davidwache am 20. Dezember. Aufgrund der Einschätzung der Polizei, dass viele gewaltbereite DemonstrantInnen vor Ort sein würden, habe man außerdem die angedachten Kundgebungen in der Innenstadt untersagt und den Bereich zum Gefahrengebiet erklärt. In der Konsequenz der Ereignisse am Vorabend der Demonstration, habe man sich für eine Veränderung der Route entschieden. „Ich wusste, dass ich keine Möglichkeit habe die Davidwache zu schützen, wenn der Demonstrationszug direkt hier vorbeizieht und vor den Esso-Häusern eine Kundgebung abgehalten werden soll“, so Einsatzleiter Peter Born. In Abstimmung mit dem Versammlungsleiter sei man zu der Einigung gekommen, die Kundgebung stattdessen am Millerntor abzuhalten.

Bereits vor Beginn der Demonstration vor der Roten Flora habe sich ein großer schwarzer Block an der Spitze des Demonstrationszuges formiert. „Die Leute waren vermummt, aber ich hätte den Zug zu diesem Zeitpunkt so losgehen lassen“, erklärt Born. Um 15.15 Uhr sollte die Demonstration laut Polizei losgehen, angemeldet war diese für 15 Uhr. „Der schwarze Block setzte sich jedoch früher in Bewegung, die Altonaer Straße war noch nicht abgesperrt, also mussten wir die Demonstration stoppen. Nach dem Aufstoppen des Protestzuges seien die PolizeibeamtInnen mit Gegenständen aller Art beworfen worden. In der Konsequenz kamen Wasserwerfer zum Einsatz. „Wir haben den Versammlungsleiter darauf aufmerksam gemacht, dass er darauf hinwirken soll, dass der Bewurf aufhört“, sagt Born. Der Versammlungsleiter habe darauf deutlich gemacht, dass dies wohl erst möglich seien wird, wenn die Wasserwerfer nicht mehr laufen. „Daraufhin haben wir uns ein Stück zurückgezogen, vom Bahndamm wurden die BeamtInnen dann mit Steinen beworfen. Der Versammlungsleiter hatte keinen Einfluss und die konnte Eskalation nicht stoppen“, erläutert der Einsatzleiter weiter. Deshalb habe er die Auflösung der Versammlung veranlasst. Die DemonstrantInnen sollten die Sternschanze nach Versammlungsende verlassen, viele seien dem nicht nachgekommen. Wiederholt habe der ehemalige Versammlungsleiter versucht erneut eine Versammlung anzumelden. „Aus unserer Sicht bestand die Gefahr, dass sich Gewalttäter unter die Demonstration mischen. Es war nicht möglich, die gewaltbereiten und friedlichen DemonstrantInnen zu trennen, deshalb haben wir eine erneute Versammlung nicht genehmigt“, sagt Born. Im Anschluss hätte die Polizei es auf St. Pauli, an der Hohenluftbrücke und auch in der Innenstadt mit mehreren „Störergruppen“ zu tun gehabt. Zu dem weiteren Verlauf der Geschehnisse nach dem Ende der Versammlung nimmt Born keine Stellung. In einem Zusammenschnitt von Videos, gefilmt aus den Wasserwerfern und Hubschraubern, auch aber von YouTube-Nutzern will Born den Abgeordneten die Gewaltbereitschaft der VersammlungsteilnehmerInnen demonstrieren. Die Videosequenz der bekannten Szenerie von der aufgestoppen Demonstration unter der Brücke zeigt den Bewurf mit Gegenständen, wird jedoch vor der Reaktion der Polizei ausgeblendet. Am 21. Dezember 2013 habe es 169 verletzte Polizeibeamte gegeben. Es seien hingegen nur zwei verletzte VersammlungsteilnehmerInnen bekannt, so Born. Der Ermittlungsausschuss geht von 500 Verletzten aus. Insgesamt waren 3.274 BeamtInnen im Einsatz, die Kosten des Einsatzes werden auf 1,13 Millionen Euro geschätzt.

„Von vornherein Gewaltbereit“

Für Innensenator Michael Neumann ist die Sache klar: „Man hätte machen können, was man will, die Demonstration war von Anfang an gewaltbereit.“ Die DemonstrantInnen hätten sich vorher „massiv vorbereitet und aufgerüstet“. Kritische Nachfragen der Oppostion zum Vorgehen der Polizei sind aus Sicht des Innensenators nicht angemessen. Überhaupt gebe es in Hamburg kein konkretes politisches Problem. Die Lage der Roten Flora, der Lampedusa Flüchtlinge und der Esso-Häuser seien keine.

Christiane Schneider (Linke) möchte dennoch auf die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen der Polizei am 21. Dezember eingehen. Dabei bezieht sich die Abgeordnete auf den Pfeffersprayeinsatz gegen den „Bunten Block“ im Schanzenviertel, den Pfeffersprayeinsatz gegen den Lautsprecherwagen von „Recht auf Stadt“ in der Taubenstraße und den Kessel in der Kastanienallee. Einsatzleiter Born kann zu allen Vorgängen keine genauen Angaben machen. „Der Bunte Block hätte sich aus dem ehemaligen Versammlungsbereich entfernen können und sollen“, so Born. Der Pfeffersprayeinsatz sei von der niedersächsischen Polizei durchgeführt worden, er könne aus dem Stehgreif nichts dazu sagen. Des Weiteren gebe es in Hamburg keinen „Polizeikessel“. Auch zu den Vorgängen in der Taubenstraße und der Kastanienalle nimmt Born keine Stellung. Auf St. Pauli habe man es nach dem Ende der Versammlung mit unterschiedlichen Störergruppen zu tun gehabt.

„Eine Schuldfrage stellt sich nicht. Selbst wenn alle Vorwürfe gegen die Polizei, seien sie noch so konstruiert, stimmen würden, rechtfertigt die noch immer keine Gewalt gegen die BeamtInnen“, sagt Neumann. Er habe große Sorge das hier das staatliche Gewaltmonopol erodiere. Nachfragen zu den Unklarheiten rund um die Ereignisse an der Davidwache am 28. Dezember würden Verschwörungstheorien befeuern. Es sei völlig unerheblich ob der Angriff auf die BeamtInnen an der Wache oder in der Hein-Hoyer-Straße stattgefunden habe.

Gefahrengebiet: „Polizei ist nicht die Antwort!“

In der Konsequenz der wiederholten Angriffe auf PolizeibeamtInnen in den vergangenen Wochen habe man sich zur Einrichtung eines unbefristeten Gefahrengebietes entschlossen. Jeden Tag werde die Situation neu bewertet und die Dauer der Maßnahme überdacht. „Ich sehe hier keinen Generalverdacht für alle BürgerInnen“, sagt Michael Neumann. Die Kontrollen im Gefahrengebiet seien ebenso selbstverständlich wie Alkoholkontrollen im Straßenverkehr. Außerdem werde eine bestimmte Zielgruppe kontrolliert, die „den bestimmten Dresscode der linken Szene“ trage. „Ich verstehe immer noch nicht, was das Ziel dieses großen und unbefristeten Gefahrengebiets sein soll. Politische Problemlagen dürfen so nicht diskreditiert werden, die Polizei ist nicht die Antwort“, sagt Antje Möller (Grüne). Auch ihr Parteikollege Farid Müller betont, dass ein Gefahrengebiet nicht geeignet sei, die Spirale der Gewalt zu brechen. Aus Sicht des Innensenator gibt es jedoch keine Alternative zum Umgang mit der Situation: „Diese Menschen werden immer einen Vorwand für Gewalt haben. Schlechtes Wetter, Kapitalismus oder schlechte Fußballergebnisse.“

Draußen im Gefahrengebiet

Während Innensenator Michael Neumann noch während der Sitzung des Innenausschusses verkündete, die Polizei habe derzeit keine Erkenntnisse über Proteste auf St. Pauli, spielten sich in der Wohlwillstraße folgende Szenen ab: Rund 100 Personen stehen in einem Polizeikessel und rufen laut Parolen gegen das Gefahrengebiet. Einige singen und tanzen vor den Polizisten. Die Stimmung ist entspannt und friedlich. Wenige Minuten zuvor waren rund 200 DemonstrantInnen vom Paulinenplatz in Richtung Reeperbahn gezogen. An der Kreuzung Wohlwillstraße/Clemens-Schulz-Straße stoppt die Polizei dann den Aufzug. Die DemonstrantInnen weichen zum Paulinenplatz zurück, werden jedoch von Beamten, die aus der anderen Richtung anrücken eingekesselt. Einigen DemonstrationsteilnehmerInnen gelingt es durch Hinterhöfe und Hauseingänge zu fliehen, bevor die Polizei den Kessel endgültig schließt. Der mehrfachen Aufforderung der Polizei eine Versammlung anzumelden, kommt niemand nach. Die Polizei fordert daraufhin alle auf den Platz zu verlassen. Einzeln verlassen die DemonstrantInnen den Kessel. Im weiteren Verlauf des Abends kommt es immer wieder zu spontanen Demonstrationen von kleinen Gruppen. Die Polizei kesselt immer wieder mehrere Personen ein, überprüft Personalien, führt Durchsuchungen durch und nimmt einzelne DemonstrantInnen in Gewahrsam. Auch zahlreiche Platzverweise werden verteilt. Insgesamt verlaufen die Proteste jedoch friedlich.

Was während der Demonstration am 21.12.2013 genau geschah, kann auch in unserem Live-Ticker nachgelesen werden.

Kommentare anzeigen (11)

11 Kommentare

  1. Christoph

    7. Januar 2014 at 14:18

    Liebes „HH-Mittendrin-Team“,

    bei „Mopo“ und „Abendblatt“ kann man heute nachlesen, im „Gefahrengebiet“ sei es letzte Nacht „ruhig“ gewesen. Einzige Quelle dieser Behauptung ist ein Polizeisprecher. Nach meinen Beobachtungen vor Ort war es keinesfalls ruhig; ich habe zwei kleine Kessel gesehen (einen an der Ecke Wohlwillstraße/Brigittenstraße und einen Am Brunnenhof vor der Friedenskirche.) Aus vielen Fenstern von Anwohnern gab es lautstarke Solidarisierungen mit den Versammlungsteilnehmern und Beschimpfungen der Polizei auch die Aufforderung „sich aus unserem Viertel zu verpissen.“ Ich habe eben mit der „Mopo“ telefoniert und den zuständigen Redakteur darauf hingewiesen, dass eine Quelle noch keine Nachricht machen sollte, schon gar nicht, wenn diese wie im Falle der Pressestelle strategisch vorgeht und zur Zeit eine Falschmeldung nach der andern raushaut, um sie dann auf Kritik hin wieder zu revidieren. Mir wurde geantwortet, man hätte ja „auch irgendwann mal Redaktionsschluss“ und man hätte die Kritiker des „Gefahrengebiets“ ja schon zu Wort kommen lassen und könne das „nicht jeden Tag machen.“
    Es wäre toll, wenn Ihr mal Eure Quellen anzapfen und noch etwas zu gestern Abend schreiben könntet.

    • Dominik Brück

      Dominik Brueck

      7. Januar 2014 at 16:35

      Im letzten Teil des Artikels wird auf die Ereignisse des gestrigen Abends eingegangen. Wir waren vor Ort und haben live getwittert, was passiert.

  2. Sven

    7. Januar 2014 at 14:38

    Die Polizei darf also machen was sie will, weil sich durch kein vorgehen der Polizei Gegengewalt rechtfertigen lässt? Habe ich das so richtig verstanden? Na denn, lasst uns den Polizeistaat feiern…

  3. Pingback: Hamburg: Erneut Gefahrengebiet eingerichtet | Mädchen für alle Fälle

  4. Pingback: Kommentar: Gefahrengebiet beenden, jetzt! | Mittendrin | Das Nachrichtenmagazin für Hamburg-Mitte

  5. Björn

    8. Januar 2014 at 14:51

    Wo kann man sich eigentlich als Zeuge gegen die Aussagen der Polizei wenden? Ich kann einiges widerlegen was öffentlich zu den Geschehnissen (vor der Eskalation!) gesagt wurde, weil ich es live erlebt habe.

    • karl

      8. Januar 2014 at 17:58

      Hallo Björn,

      wenn Du deine Infos der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen willst, dann wende Dich an Journalisten wie Kai von Appen von der taz Hamburg. Oder an den Ermittlungsausschuss.

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