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Erfolgreiche Flucht – Ein Hamburger erzählt

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Carolin Wendt

Redakteurin | Dipl.-Psychologin | wendt@hh-mittendrin.de | blog: http://lexy04.wordpress.com/

Spätestens seit der Diskussion über die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ wird in der Stadt vermehrt über das Schicksal von Flüchtlingen gesprochen. Dass es sich lohnt zu kämpfen, zeigt die Geschichte von Umes.

Die Sonnenstrahlen fallen durch das Küchenfenster in St. Georg auf den massiven, dunklen Holztisch und die moderne, weiße Einbauküche in der Altbauwohnung. Umes sitzt auf einem der Holzstühle und lehnt sich mit dem Handy am Ohr zurück. Er erklärt einer besorgten Freundin die Risiken der Herzoperation ihres 83-jährigen Vaters, der auch ein guter Freund von Umes ist. Auf dem Tisch dampft ein Glas grüner Tee. Am hinteren Ende des Tisches steht eine ovale, goldene Vase mit weißen Rosen direkt vor einem Wandbild, das aus verschiedenen Holzteilen besteht. Umes ist 34 Jahre alt und Assistenzarzt in der Herzchirurgie am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf. Er spricht ausdrucksstark und akzentfrei. Nur als er seinen vollen Namen nennt, erinnert die Aussprache im ersten Moment an die eines Inders: Umes Arunagirinathan.

Allein auf der Flucht

Die Holzstücke des Bildes an der Wand sind Bootsteile aus dem Hamburger Hafen, der Tisch ist aus Sri Lanka. Umes ist Hamburger und Mümmelmannsberg seine Heimat. Das sagt er selbst von sich. Geboren wurde er im Norden Sri Lankas und gehörte dort der größten Minderheit, den Tamilen an. Er ging gerne zur Schule. Schon mit 10 Jahren verkaufte er Obst und Gemüse. Als in den 80er Jahren auf Sri Lanka ein Bürgerkrieg zwischen der Mehrheit der Singhalesen und den paramilitärischen Tamil Tigers, eine für einen unabhängigen tamilischen Staat kämpfende Gruppierung ausbrach, war sein Leben dort nicht mehr sicher. „Meine Mutter hatte Angst, dass Soldaten mich festnehmen oder die Milizen mich als Kämpfer zu sich holen. Meine Familie organisierte einen Schlepper, der mich zu meinem Onkel nach Hamburg bringen sollte.“, erzählt er. Umes war damals 12 Jahre alt. Acht Monate dauerte die Flucht mit dem Schlepper. 1991 erreichte er über Singapur, Dubai, Togo, Nigeria und Ghana schließlich Frankfurt. „Ich werde nie den Moment vergessen, als mein Onkel mich nach Hamburg abholte und ich zum ersten Mal wieder mit meiner Mutter sprechen konnte.“

Glücklich sei er gewesen. Genauso glücklich und dankbar ist er auch über die Erfahrungen, die er in der Gesamtschule in Mümmelmannsberg von da an sammeln konnte. „Ich habe immer Freunde und Unterstützer gehabt, die mir geholfen haben, dass ich hier bleiben, das Abitur machen und später Medizin in Lübeck studieren konnte.“ Als sein Asylantrag kurz vor seinem Abitur abgelehnt wurde, kämpften Lehrer und Mitschüler mit einer Petition für sein Bleiberecht. Seine Aufenthaltsgenehmigung für das Studium in Lübeck verdankt er dem Einsatz des Hamburger Senats und der Bürgschaft seines Patenonkels. Er ist seit 2008 deutscher Staatsbürger. Wie es Umes bei einer Abschiebung ergangen wäre, ist ungewiss. Laut Amnesty International wurden während und auch nach Ende des Bürgerkrieges Tamilen willkürlich verhaftet, gefoltert oder verschwanden spurlos. Bis heute gibt es Berichte von Flüchtlingen, die bei ihrer Rückkehr verhaftet und gefoltert werden, wie die Gesellschaft für bedrohte Völker 2013 festhielt.

„Toleranz habe ich in Deutschland gelernt“

Umes Eltern sind auf Sri Lanka geblieben. Für alle Kinder aber haben sie die Flucht organisiert. Sie wohnen jetzt in Toronto, New York und London. Seine Mutter hat Umes in den letzten 24 Jahren zweimal wiedergetroffen: Bei einem Besuch seiner Schwester in London und bei der Beerdigung seines Vaters im letzten Mai. Bei der Beerdigung übergab er nach hinduistischer Tradition als ältester Sohn die Asche seines Vaters dem Indischen Ozean. Hier in Deutschland hält an einigen wenigen Traditionen aus seiner Heimat fest. So feiert er jedes Jahr das Neujahr nach hinduistischer Zeitrechnung im April oder isst wie vor einigen Tagen zusammen mit Onkel und Tante Milchreis mit schwarzem Zucker zum „Pongal“-Tag, dem tamilischen Pendant zum Erntedankfest. Seit der Schulzeit in Hamburg hat er Freunde mit verschiedenen kulturellen und religiösen Hintergründen. „Meine Ersatzfamilie kam aus Afghanistan.“, sagt er. „Toleranz habe ich in Deutschland gelernt. Ich kam hier als Fremder an und wurde mit viel Offenheit aufgenommen. .“ Vor allem die Vielseitigkeit der Herkunftsorte der Menschen ist es, was ihm an St. Georg gefällt. „Das ist etwas, dass ich sehr vermisst habe, als ich eine Zeitlang in Eppendorf gewohnt habe.“

Mit Lesungen anderen Flüchtlingen eine Stimme geben

Bei gutem Wetter fährt er den Arbeitsweg mit dem Fahrrad. In seiner Freizeit joggt er um die Alster, besucht McFit, guckt die Tagesschau oder hält Lesungen. Im Jahr 2005 veröffentlichte er sein erstes Buch „Allein auf der Flucht“. Seitdem hat er rund 70 Lesungen in ganz Deutschland gegeben. „Ehrenamtliche Helfer bekommen zu selten Dankbarkeit für ihre Arbeit mit Flüchtlingen entgegengebracht. Sie sollen wissen, das ihr Beitrag etwas bringt.“, erklärt er ruhig und trinkt den letzten Schluck Tee, bevor er weiter redet. „Ich möchte Aufmerksamkeit und Verständnis für Menschen schaffen, die nach Deutschland kommen und Hilfe suchen, und mit Anderen in Dialog treten.“

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1 Kommentar

  1. Stefan

    15. Januar 2014 at 17:29

    Es mutet ein wenig skurril an, das Schicksal dieses Mannes mit dem der aktuellen Schicksale der Lampedusa- Flüchtlinge gleich zu setzen, bzw. es als Beispiel dafür zu nehmen, dass sich „ein Kampf lohnen würde“. Dieser Mensch lebt seit 1991 hier, und lebt nur deswegen noch hier, weil für eine Petition in der Bürgerschaft eingereicht wurde- er sollte also ganz offenkundig abgeschoben werden. Und das ist dann das, was eher der Regelfall ist als eine Integration in eine Arbeit, arbeiten als Arzt, die Einbürgerung.

    Wenn man so weit gekommen ist, es so weit geschafft hat, ist ohnehin meist das Schlimmste überstanden. Die jahrelangen „Duldungen“, die halbjährlich zu verlängern sind… Die beständige Drohung mit der Abschiebung- Singapur, Dubai, Togo, Nigeria und Ghana waren keine „sicheren Drittstaaten“? Na gut, dann hatte er wohl Glück, dass er per Flugzeug in Frankfurt ankam, auch das dürfte bei den wenigsten Lampedusa – Flüchtlingen der Fall gewesen sein. Ich sags ja, eine Verknüpfung dieses Beispiels mit den Lampedusa – Flüchtlingen mutet seltsam an…

    „Seine Aufenthaltsgenehmigung für das Studium in Lübeck verdankt er dem Einsatz des Hamburger Senats und der Bürgschaft seines Patenonkels.“ Ah. Er hatte also offenkundig nur ein Aufenthaltsrecht für das Hamburger Stadtgebiet, und bekam aufgrund einer Geldleistung und dem Goodwill des Senates auch eine Aufenthaltserlaubnis für Lübeck, Stichwort Resistenzpflicht? Was für ein Glück für ihn… Ob die im Lager bei Horst (also in Mecklemburg Vorpommern) lebenden Flüchtlinge auch bekommen werden, die sich auf Hamburger Stadtgebiet aufhalten sollen ist hingegen fraglich…

    Kurzum: Rührseeelige Geschichte, die nur deswegen so rührseelig ist, weil sie von viel Glück, finanziellen Kraftakten und Goodwill des Senates berichtet – aber eben gerade deswegen kaum als positives Beispiel für die aktuelle Hamburger Flüchtlingspolitik taugt.
    BTW: Wer mal seine Flucht aus einem Krisenstaat spielerisch nachvollziehen möchte, kann das auf http://www.theguardian.com/global-development/ng-interactive/2014/jan/refugee-choices-interactive („The refugee challenge: can you break into Fortress Europe?“) beim Guardian tun – sofern er wenigstens englisch spricht. Aber entsprechende Sprachkenntnisse sollte man als Flüchtling ja ohnehin mitbringen – neben reichlich Geld und Kontakte in die Politik – sonst wird das mit der Ärztelaufbahn in Deutschland als ehemaliger Flüchtling, der während seiner Flucht eine gefühlte Welt“reise“ unternahm aber ohnehin nichts…

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