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„Brushmob“: Anmelder droht Strafanzeige

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Justus Ledig

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Der friedliche „Brushmob“ gegen die Gefahrengebiete am Sonnabendnachmittag hat womöglich Konsequenzen: Polizeibeamte erstatteten Strafanzeige gegen den Anmelder.

Zuvor war die Performance-Veranstaltung auf dem Paulinenplatz anonym via Facebook angekündigt worden. Als sich der Zug gegen kurz vor 16 Uhr spontan in Richtung Esso-Häuser in Bewegung setzte, stellte sich die anrückende Polizei am südlichen Ende der Wohlwillstraße in den Weg. Um eine Auflösung des „Brushmob“ und eine mögliche Eskalation zu vermeiden, meldete sich ein Teilnehmer als Versammlungsleiter bei den Beamten. Das könnte nun ein Nachspiel für ihn haben. Auf dem Spielbudenplatz, wo der Demonstrationszug sein vorläufiges Ende fand, erklärten die Polizisten dem Anmelder, dass Strafanzeige gegen ihn erstattet werde. Wegen der vorherigen Ankündigung des „Brushmob“ bei Facebook habe es sich nicht um eine Spontandemonstration gehandelt, so einer der Beamten.

Erst als die Polizei den spontanen Protestzug an der Wohlwillstraße stoppte, entschied sich Hannes* dazu, sich als Anmelder der Demonstration zur Verfügung zu stellen. „Ich wollte den friedlichen Protest weitertragen und zur Deeskalation beitragen, da auch viele Kinder anwesend waren“, so Hannes. Seine Teilnahme an der spontanen Demonstration sei zufällig gewesen. „Ich war nicht an der Planung beteiligt, dennoch will mich die Polizei anzeigen, weil der Brushmob zuvor hätte angemeldet werden müssen und von ihnen als Auftaktkundgebung für die Demonstration interpretiert wird“, sagt der junge Mann. Obwohl er den BeamtInnen vor Ort erklärte, dass mit der Aktion auf dem Paulinenplatz nicht zu tun habe und dies keinesfalls eine Auftaktkundgebung gewesen sei, hielten diese an einer Anzeige fest.

Strafanzeige entgegen gängiger Praxis

Trotz Hinweisen, dass es in den vergangenen Jahren in Hamburg gängige Praxis gewesen sei, eine nachträgliche Anmeldung einer Demonstration nicht unter Strafe zu stellen, ließen sich die Einsatzkräfte nicht umstimmen. Man sehe zwar ein, dass die Strafanzeige kein gutes Signal aussende, insbesondere weil der Anmelder nicht den Aufruf zum „Brushmob“ gestartet hatte, dennoch seien die Beamten dazu verpflichtet, dies zu Anzeige zu bringen. „Ich lasse die Anzeige auf mich zukommen. Die Polizei versucht damit den Protest zu kriminalisieren und mich einzuschüchtern. Das erreichen sie jedoch nicht“, so Hannes. Der Beamte bei dem er die Demonstration angemeldet hat, habe sich für seine Kooperation und die Anmeldung bedankt. Auch habe Hannes den Beamten gefragt, was geschehen wäre, wenn er die Anmeldung nicht übernommen hätte. „Er sagte mir, sie hätten dann niemanden durchgelassen und stimmte mir zu, dass die Situation dann wohl eskaliert wäre“, sagt Hannes weiter.

Die Polizei bestätigt die laufende Anzeige gegen den Anmelder der Demonstration. Aufgrund der vorherigen Ankündigung des „Brushmobs“ im Internet handle es sich dabei nicht um eine Spontanversammlung, heißt es von Seiten der Polizeipressestelle. „Die Veranstaltung hätte vorher angemeldet werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, wurde wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz eine Strafanzeige gefertigt“, so Pressesprecherin Sandra Levgrün. Es sei unerheblich, ob der Anmelder der Demonstration tatsächlich derjenige ist der zu der Veranstaltung aufruft oder die Facebook-Veranstaltung gegründet hat. „Er hat sich als Anmelder zur Verfügung gestellt und ist damit der Ansprechpartner für die Polizei“, sagt Levgrün.

Es ist ein sehr problematisches Signal, wenn man eigentlich alles richtig gemacht hat und dann angezeigt wird, findet Hannes. Ein Trostpflaster hat die Polizei jedoch für ihn: „Der Anmelder, der sich zur Verfügung gestellt hat, war sehr kooperativ. Dies wurde in der Strafanzeige deutlich erwähnt“, sagt Levgrün. Ob tatsächlich ein Verfahren gegen Hannes eröffnet wird, ist indes noch nicht abzusehen.

*Name von der Redaktion geändert.

Kommentare anzeigen (9)

9 Kommentare

  1. fabs

    13. Januar 2014 at 14:07

    Das ist typische (Hamburger) Polizeipraxis. Ich vermute, es ist auch eine taktische Reaktion auf den schwerverletzten Demonstranten, der bei dem Brushmob am Samstag von Beamten zu Boden gebracht und durch einen Tritt an den Kopf so schwer verletzt wude, dass er ins UKE eingeliefert werden musste. Immer wenn sich die Polizei bei Einsätzen gegen geltendes Recht verstößt, reagiert sie mit (Gegen-) Anzeigen. Der Hamburger Polizeiapperat ist, entgegen seinem gesellschaftspolitschem und verfassungmäßigem Auftrag, einer der aktivsten politischen Akteure in der Stadt.

  2. Karsten

    13. Januar 2014 at 14:28

    Moin,
    Die Polizei in Hamburg hat grundsätzlich ein gestörtes Verhältnis zu Bürgern, die ihre Grundrechte warnehmen.
    Ein Beispiel ist eine winzige Demonstration von ROBIN WOOD anläßlich der Verhandlung des Int. Seegerichtshofes zu dem GreenpeaceSchiff in Rußland.
    Dort wurden die Aktivisten,die lediglich stumm mit Schildern in den Händen gestanden hatten, auf dem Rückweg von Zivilpolizisten angehalten, und ihre Personalien festgestellt.
    Auch gegen diese Leute hat die Polizei Anzeige erstattet.
    http://blog.eichhoernchen.fr/post/Soliaktion-Freiheit-fuer-die-Crew-der-Arctic-Sunrise

  3. Fab

    13. Januar 2014 at 14:36

    So eine Anzeige ist gängige (Hamburger) Polizeipraxis. Ich vermute es ist eine taktische Reaktion auf den schwer verletzten Demonstranten, der am Samstag bei dem Brushmob von Beamten zu Boden gebracht und durch einen Tritt an den Kopf so schwer verletzt wurde, dass er ins UKE eingeliefert werden musste.
    Immer wenn die Hamburger Polizei bei Einsätzen gegen geltendes Recht verstößt kommt es aus ihren Reihen zu (Gegen-)Anzeigen.
    Der Hamburger Polizeiapperat ist, entgegen seinem gesellschaftspolitischen und verfassungsmäßigen Auftrag, einer der aktivsten politischen Akteure in der Stadt und hat es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht gegen jedes kritische Aufbegehren und/ oder alles vermeintlich „Linke“ ist vorzugehen. Besonders der umstrittene Einsatzleiter Born, auch verantwortlicher Einsatzleiter für die eskalierte Demonstration am 21.12. mit bis zu 700 teilweise Schwerverletzten, sowie Einsatzleiter Dudde sind richtungsweisend für den tendenziösen Handlungs- bzw. Politikstil der Hamburger Polizei. Kommt dann noch ein Innensenator Neumann hinzu, der die Probleme einzig und allein in der Bevölkerung sieht und wirklich jede Handlung der Polizei legitimiert, so ergibt sich eine Gemengelage, die ein Klima der Repression entstehen lassen kann, welches sonst nur in autoritär regierten (Polizei)Staaten zu finden ist.

  4. Bernd

    13. Januar 2014 at 14:47

    Ist doch klar, warum die Polizei an der Strafanzeige festhält. Der ganze Aufwand und die Überstunden müssen doch gerechtfertigt werden. Und wenn „Hannes“ auch noch deeskalierend gewirkt hat ist das ja auch noch ein Grund mehr. Schließlich wurde so – selbst von der Polizei bestätigt – eine Eskalation verhindert. Wenn es also schon keine randalierenden Chaoten gibt, dann doch wenigstens einen schwerstkriminellen Anmelder…

  5. Gunnar

    13. Januar 2014 at 17:53

    Einer objektiven Berichterstattung hätte es allerdings gut gestanden, wenn der Autor wenigstens das Legalitätsprinzip erwähnt hätte.

    • toni

      14. Januar 2014 at 17:56

      Auch den anderen Kommentatoren hätte es gut getan sich über solchen rechtsstaatlichen Prinzipien zu informieren. Es wäre eine Katastrophe, wenn die Polizistenselber entscheiden dürften, wann sie Anzeige erstatten und wann nicht!

      • Karsten

        15. Januar 2014 at 17:07

        Legalitätsprinzip muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zunächst mal heißen, dass die Polizei sich grundsätzlich Versammlungsfreundlich zu verhalten hat. Ausser bei Nazi-Aufmärschen, macht die Hamburger Polizei grundsätzlich das Gegenteil.
        Und die Polizeiführung ist nicht lernfähig.
        Trotz eindeutiger Gerichtsentscheidungen gegen polizeiliche Versammlungsstörungen bzw gewaltsame Versammlungssprengungen werden die gleichen Rechtsbrüche mehrfach wiederholt.

  6. Pingback: LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch » Hamburger »Gefahrengebiet«: Folgen und Protest

  7. Fab

    15. Januar 2014 at 14:51

    @toni: ich habe niemandem das recht anzeige zu erstatten abgesprochen. wenn allerdings polizisten aus politischen/ taktischen gründen anzeigen erstatten, ist dies nicht nur höchst bedenklich sondern auch verfassungswidrig. wie gesagt, ein polizeiapperat der politisch agiert und z.b. durch gezielte desinformation (in diesem fall beziehe ich mich auf die pressemitteilung zum vermeintlichen „anschlag“ auf die davidwache) der öffentlichkeit in einen politischen diskurs eingreift, um repressive maßnahmen (die darüberhinaus auch noch von der polizeiführung eigenmächtig beschloßen und umgesetzt werden!!) zu rechtfertigen, ist mit den prinzipien eines freiheitlich, demokratischen rechtsstaats nicht vereinbar. denk mal drüber nach…

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