Kultur

Ausstellungseröffnung „Transit“: Boote voller Geschichten

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Zum Auftakt der Lessingtage zeigt das Thalia-Theater eine besondere Ausstellung, die von SchülerInnen gestaltet wurde. Mit Bildern und Collagen ermöglichen die Kunstwerke einen neuen Blick auf die Themen Heimat und Flucht – und halten uns einen Spiegel vor.

Hunderte kleine Papierschiffe zieren den zweiten Stock des Thalia-Theaters am Gerhard-Hauptmann-Platz. Hunderte Schiffe an den Wänden, die auf den ersten Blick alle gleich aussehen. Erst wenn man die kleinen Boote näher betrachtet stellt man fest, dass jedes Schiffchen anders ist. Anders bemalt, anders verziert, eine andere Geschichte erzählt. Geschichten vom Verlassen der Heimat, von Flucht, Vertreibung, aber auch von Neuanfang, Vorfreude und Hoffnung. Es sind nicht die Geschichten von Flüchtlingen wie der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ oder anderen, an die man bei dem Begriff Flucht sofort denken würde. Es sind die persönlichen Geschichten von SchülerInnen, die eigene Erlebnisse, die ihrer Eltern oder Großeltern aufgeschrieben und aufgemalt haben.

„Papa fliegt nach Kanada“

Rund 600 kleine Schiffe hängen bereits an den Wänden der Ausstellung „Transit – Einwandern.Auswandern“, die am Sonnabend eröffnet wurde und bis zum 9. Februar zu sehen sein wird. Die Papierschiffchen bestehen aus Bildern und Collagen, die SchülerInnen der Klassen zwei bis 13 entworfen haben. Aus den Kunstwerken, die auch in einem Ordner betrachtet werden können, haben sie die kleinen Boote gefaltet. „Schiffe deshalb, weil sie für den Transport von Waren, aber auch von Menschen und ihren Geschichten stehen“, sagt Ute Radler, Organisatorin der Ausstellung. Das aktuellste Beispiel seien die Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer, doch auch die Auswandererschiffe, die Ende des 19. Jahrhunderts in Richtung Amerika aufbrachen seien voller Hoffnungen, Träume und Geschichten gewesen.

Die SchülerInnen haben persönliche Geschichten künstlerisch verarbeitet: Der Umzug von Ahrensburg nach Hamburg ist dabei ebenso Thema, wie die Flucht der Großeltern während des Zweiten Weltkrieges. Bei den Beiträgen der jungen KünstlerInnen wird schnell deutlich, wie häufig uns Menschen begegnen, die ihre Heimat aus den unterschiedlichsten Gründen verlassen. Da ist die Tante, die wegen der Liebe zu ihrem Mann nach Amerika zieht, oder der Bruder, der nach Itzehoe zieht, weil er sich dort ein Haus kaufen möchte.

Oft liest man auch über die Eltern, die aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind und hier eine neue Heimat für sich und ihre Kinder gefunden haben. Einige Bilder erzählen aber auch von Menschen die Deutschland verlassen haben: „Papa fliegt nach Kanada, weil er dort eine bessere Arbeit hat“, steht auf einer Zeichnung. Der Betrachter muss spätestens hier kurz innehalten – würde man das nicht als Wirtschaftsflüchtling bezeichnen? Oder gilt dieser Begriff nur für Menschen, die aus Afrika zu uns kommen?

Die Ausstellung wächst

Ja länger man sich in der Ausstellung aufhält, desto mehr solche Fragen muss man sich stellen. Warum ist es normal, dass Menschen aus Deutschland in der ganzen Welt ihr Glück suchen dürfen, während hier Flüchtlingen eben dies verwehrt wird? Hätten unsere Großeltern heute eine Chance als Kriegsflüchtlinge einwandern zu dürfen, oder müssten auch sie Jahre ohne Perspektive in Containern leben? Auch wenn es nicht immer die Bilder selbst sind, die solche Fragen aufwerfen, so ist es gerade der besondere Blick der Kinder und Jugendlichen, der ein neues Licht auf die Themen Flucht und Heimat wirft.

Dass solche Geschichten kein Einzelfall sind, zeigt der Umfang der Ausstellung, die stetig weiterwächst. Ende kommender Woche sollen bereits 1200 Papierschiffe die Wände des Theaters zieren. Die Geschichten will das Thalia-Theater auf einer Homepage dokumentieren. Auch andere Veranstaltungen der „Lessingtage“, die den Rahmen für das Projekt bilden, beschäftigen sich mit Themen wie Europa, Heimat und Flucht. Es lohnt sich auf jeden Fall nicht nur „Transit“, sondern auch andere Events zu besuchen, die wie bereits im vergangenen Jahr neben neuen Erkenntnissen auch unterhaltsame Stunden versprechen.

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1 Kommentar

  1. Christian

    26. Januar 2014 at 16:53

    GerharT Hauptmann :-) Sieht nach einem schönen Projekt aus.

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