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Kommentar: Protest hat keinen Selbstzweck

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Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Seit Monaten gehen tausende BürgerInnen auf die Straße, um für ein Bleiberecht der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ zu demonstrieren. Bei einer Demo am vergangenen Sonnabend ist von diesem Ziel nicht viel zu erkennen.

Kaum ein anderes Thema hat die HamburgerInnen im vergangenen Jahr so bewegt, wie das Schicksal der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“. Zu Hochzeiten gingen Zehntausende auf die Straße und protestierten gegen die Flüchtlingspolitik des Hamburger Senats. Die Demonstrationen haben ein Thema auf die Agenda gesetzt, das seit Jahren kaum im Fokus der öffentlichen Debatten stand: Das Schicksal von Flüchtlingen an den europäischen Außengrenzen und in den EU-Mitgliedsstaaten. In Hamburg, Deutschland und ganz Europa wird zunehmend darüber diskutiert, ob unser Umgang mit Menschen, die unseren Schutz suchen, richtig ist. Bestehende Regelungen werden kritisiert, Gegenmodelle entwickelt – ein wichtiger Prozess, der endlich in Gang gekommen ist.

Um auf die schwierige Lage der Flüchtlinge in unserer Stadt aufmerksam zu machen sind aus meiner Sicht auch Protestformen gerechtfertigt, die teilweise als illegal eingestuft werden oder nicht im Vorfeld genehmigt wurden – so wie Sitzblockaden, das Anbringen von Transparenten an Gebäuden und unangemeldete Spontandemonstrationen. Das Entscheidende aber ist, dass die Aktionen friedlich verlaufen, klar dem Flüchtlingsprotest zugeordnet werden können und in der öffentlichen Wahrnehmung als Ausdruck einer gesellschaftlich relevanten Debatte verstanden werden. Diesem Anspruch ist die Spontandemonstration auf dem Weihnachtsmarkt in der Innenstadt am Sonnabend nicht gerecht geworden.

Bereits in der vergangenen Woche hatten AktivistInnen die Weihnachtsparade genutzt, um für ein Bleiberecht der Lampedusa-Flüchtlinge zu demonstrieren. Eine wichtige Aktion: Der Adventsdemo von „Lampedusa in Hamburg“ war zuvor untersagt worden durch die Innenstadt zu ziehen. Es war daher richtig zu zeigen, dass die öffentliche Debatte um die Rechte von Flüchtlingen vor die kommerziellen Interessen der Stadt und des Einzelhandels gehen sollte. Der Protest war deutlich als Aktion für „Lampedusa in Hamburg“ zu erkennen.

Am Sonnabend war das nicht mehr der Fall: Auf den Bildern von der Spontandemonstration, die gegen 17 Uhr mit rund 50 TeilnehmerInnen unangemeldet von der Mönckebergstraße zum Jungfernstieg zog, ist nur ein einziges Transparent zu sehen „Feuer und Flamme dem Hamburger Senat“. Keine Sympathiebekundungen für Flüchtlinge, keine politischen Forderungen – für die Öffentlichkeit entsteht nur der Eindruck hier werde zu Gewalt aufgerufen. Ein derartiger Protest nutzt den Flüchtlingen nicht. Die Medien berichten nur über Krawallmacher, die den Weihnachtsmarkt stören. Die politischen Forderungen werden nicht mehr wahrgenommen und die Mehrheit der BürgerInnen versteht nicht, warum der ruhige Sonnabend auf dem Weihnachtsmarkt derart gestört werden muss. Es ist kein Protest im Sinne der Sache. Es ist Protest um des Protestes Willen.

Um in der öffentlichen Meinung nicht an Unterstützung zu verlieren, sollten derartige Aktionen zukünftig unterlassen werden. Ein Zeichen setzen die Adventsdemos mit ihren zahlreichen TeilnehmerInnen und kreative Aktionen, wie der Schulstreik am kommenden Donnerstag. Es muss darum gehen als positiver Protest für eine gute Sache wahrgenommen zu werden – nicht als Krawallmacher. Dann kann man die Menschen von notwendigen Veränderungen überzeugen, statt sie zu beunruhigen oder gegen sich aufzubringen.

Foto: Jonas Walzberg

Kommentare anzeigen (2)

2 Kommentare

  1. Kass3tte

    8. Dezember 2013 at 16:52

    Die Demo wirkt nicht nur auf Bildern, sondern in erster Linie auf der Straße. Dort wurde sie sehr wohl als Solidarität zu den Lampedusa wahrgenommen, denn das wurde anhand der Parolen deutlich.
    Das Transpi erwähnt zwar nicht explizit die Lampedusa, greift aber deutlich die Politik des Senats an. Klar man kann in diese Sprüche immer gleich Gewalt hineininterpretieren, was immer gerne von der Presse, Politik und Polizei getan wird. Dabei ist es aber völlig egal was da steht. Jede Form des Widerstandes wird nur zu gerne diskreditiert.
    Von der Sponti selber ging zu keinem Zeitpunkt Gewalt aus, von der Polizei hingegen schon!
    Über die Qualität von Transpisprüchen kann man ja vielleicht streiten, der Sponti vorzuwerfen es würde ein Protest um des Protest Willens sein ist nicht gerechtfertigt.

  2. ho mung

    9. Dezember 2013 at 08:16

    Eine sehr konservative Sicht auf die Notwendigkeit des politischen Protestes in Form von öffentlicher Demonstration seines frustes und Wut. Diese stehen für ideale, ideale die nicht mit der poltik des senats, des o.s. konform gehen.Selbst wenn was zu Bruch geht, einer mit Helm mal einen Stein an den Kopf bekommt, wird man dann seiner politischen Meinung enteignet, auf Grund von Gewalt?Sollte man dann nicht auch den Senat enteignen, die Akteure der gasp Europas?Nur, weil die öffentliche meinung und die Berichterstattung sich auf den „krawall“ fokussiert, diesen nicht dialektisch sieht, ihn als Protest des Protestes Willen propagiert, nur dann, verliert man die Solidarität der breiten Masse.Wer denkt ist wütend und zeigt es auch.

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