Politik

Lampedusa in Hamburg: Neue Dimensionen des Protestes

Politik
Dominik Brück
@dobrueck

| M.A. Politikwissenschaft | E-Mail: brueck@hh-mittendrin.de

Am Freitag fand auf St. Pauli eine weitere Solidaritätsdemonstration mit den Flüchtlingen der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ statt. Über 8000 Menschen protestierten gegen die Flüchtlingspolitik des Senats – eine bisher unerreichte Größenordnung.

Der Druck auf Bürgermeister Olaf Scholz und den Senat wächst. Am Freitag zog ein riesiger Demonstrationszug vom Stadion des FC St. Pauli über den Neuen Pferdemarkt, die Wohlwillstraße und die Clemens-Schultz-Straße bis zur Reeperbahn und von dort weiter über die Bernhard-Nocht-Straße zur St. Pauli Kirche. Hier haben seit Monaten 80 Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ Zuflucht gefunden. Die DemonstrantInnen forderten wie bereits auf den vorhergegangenen Protestaktionen ein Bleiberecht für die Flüchtlinge und ein Ende der Kontrollen durch die Polizei. Neu waren die Ausmaße der Demonstration: Laut Polizeiangaben waren rund 8000 Menschen unterwegs. Der Veranstalter geht sogar von 10.000 TeilnehmerInnen aus. Die Polizei war von der Zahl der DemonstrantInnen überrascht. Im Vorfeld hatten die Beamten mit höchstens 1000 TeilnehmerInnen gerechnet.

Nach dem Heimspiel des FC St. Pauli gegen Sandhausen (Ergebnis 0:0) versammelten sich die DemonstrantInnen vor dem Stadion. Neben Fans des Fußballclubs waren auch zahlreiche VertreterInnen von Initiativen und Vereinen aus dem Stadtteil präsent. Insgesamt wurde die Demonstration von über 100 Organisationen unterstützt. Auch viele BürgerInnen aller Altersklassen waren am Freitag mit Plakaten und Transparenten unterwegs – darunter auch Mütter mit Kinderwagen. „Dieser Stadtteil grenzt niemanden aus. Egal welcher Herkunft oder Hautfarbe, egal ob arm oder reich, jeder ist hier willkommen“, sagt ein Funktionär des FC St. Pauli zum Auftakt der Demonstration. Ein Sprecher der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ wandte sich erneut an den Senat und forderte ein Bleiberecht aus humanitären Gründen. Der Sprecher wies jedoch auch darauf hin, dass die Flüchtlinge der Gruppe kein Einzelfall seien. Es gebe in Hamburg zahlreiche Menschen, die vor einem ähnlichen Schicksal stünden, wie die Lampedusa-Flüchtlinge. Der Senat hatte in der vergangenen Woche zwar Gespräche mit Vertretern der Gruppe geführt, hält jedoch ein seiner Position fest. Die Flüchtlinge sollen ihre Identität preisgeben und sich in einem normalen Asylverfahren prüfen lassen. Die Flüchtlinge lehnen dies ab, da aus ihrer Sicht eine Ausweisung nach Italien, von wo sie Ende letzten Jahres nach Hamburg gekommen waren, nicht vertretbar sei. Die Bedingungen in den italienischen Flüchtlingscamps seien menschenunwürdig. Daher müsse der Senat einem Bleiberecht aus humanitären Gründen zustimmen.

Auf der Demonstration zeigt sich neben der ungebrochenen Solidarität mit den Flüchtlingen, dass insbesondere die Kritik an Bürgermeister Olaf Scholz, Innensenator Michael Neumann und der SPD zunimmt. „Olaf Scholz, Hamburg schämt sich für sie“, heißt es auf einem der Transparente. Immer wieder wird das Vorgehen des Bürgermeisters mit der Politik des Rechtspopulisten Schill verglichen, was ihm unter den DemonstrantInnen den Spitznamen „Olaf Schill“ einbringt. Ein weitere Spitzname des Bürgermeister, „Brechmittel Scholz“, macht auf eine Anordnung des damaligen Innensenators von 2001 aufmerksam. Scholz hatte die zwangsweise Verabreichung von Brechmitteln bei Straßendealern zum Zwecke der Beweissicherung angeordnet.

Die Demonstration am Freitag verlief friedlich. Im Anschluss kam es jedoch zu vereinzelten Sachbeschädigungen einzelner kleiner Gruppen. Für Samstag ist ein Flüchtlingsgipfel im Stadion des FC St. Pauli geplant. Neben den Flüchtlingen der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ werden auch weitere UnterstützerInnen und VertreterInnen von Flüchtlingsorganisationen anwesend sein. Für den 2. November ist eine weitere Demonstration angekündigt, die bundesweit von verschiedenen Initiativen unterstützt wird.

Das Video zeigt die gesamte Größe des Demonstrationszuges und gibt einen Eindruck von der Stimmung:

Kommentare anzeigen (3)

3 Kommentare

  1. Erich

    26. Oktober 2013 at 14:46

    Nun wird sich es ja zeigen, wie das weiter geht !! cDa ja der bezirk Altona den Bauantrag genehmigt hat, für die
    Container !! Nun ist die Ev.Kirche ausführendes Organ, um die Flüchtlinge dort unter zu bringen !! Es werden nur die unter gebracht, die sich auch äußern, wer sie sind, und wo her sie kommen !! Wenn das denn immer noch nicht so klappt, wie wir uns vorstellen, dann müssen noch mehr auf die Strasse, denn eigendlich sind wir uns alle fremd !! Und wir werden auch nicht so behandelt, wie diese Menschen !! Es ist wirklich ein europäisches Unikum, was hier so abläuft !! Aber da ist noch etwas, was gesagt werden muß: GEWALT löst nicht deren PROBLEME !! Wer GEWALT hervor ruft, der hat dann seine eigene PROBLEME, wenn er fest genommen wird !! denn alle Flüchtlinge finden es nicht gut, wenn auf ihren Schulter, die Gewalt von anderen lastet !!
    In diesem Sin Erich Heeder – Strassenmagazinverkäufer – HINZ&KUNZT

  2. Jan

    26. Oktober 2013 at 20:34

    Zum Thema „Brechmittel Scholz“: Scholz hatte als verantwortlicher Innenminister mit dem zwangsweisen Einsatz von Brechmitteln unmittelbar den Tod von Achidi John zu verantworten, der in Polizeigewahrsam an den Folgen der Chemikalien starb. Daraufhin wurde das Schulterblatt (inoffiziell) in Achidi-John-Platz umbenannt.

  3. manja

    27. Oktober 2013 at 00:17

    In dem Artikel steht, das die Flüchtlinge ihre Identität nicht preisgeben wollen. Mit dem nachfolgenden Link geht es zu einem offenen Brief der Lampedusa Flüchtlinge an den Senat der Stadt Hamburg der noch einmal deren Sicht der Dinge schildert! Sehr lesenswert!
    http://lampedusa-in-hh.bplaced.net/wordpress/offener-brief-der-gruppe-lampedusa-in-hamburg-an-den-senat-der-stadt-hamburg-und-erneuerung-unseres-gesprachsangebots/

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