Am Mittwochnachmittag wurde in der aktuellen Stunde der Hamburgischen Bürgerschaft über Flüchtlingspolitik und die Situation der Gruppe Lampedusa in Hamburg diskutiert. Protest von den Zuschauerrängen während der Debatte führte zu einer Sitzungsunterbrechung und der Räumung des Rathausmarktes. Seit mehr als einer Woche halten die Proteste für ein Bleibereicht der Flüchtlinge in Hamburg und gegen die Personenkontrollen der Polizei an. Im Anschluss an die Debattte in der Bürgerschaft nahmen rund 1000 Menschen an einer Spontandemonstration durch die Innenstadt teil.
Seit mehr als einer Woche kommt es in Hamburg täglich zu Demonstrationen und Protestaktionen gegen die Kontrolle von Flüchtlingen und die Flüchtlingspolitik des Senats. Zuletzt kam es am Dienstagabend zu Protesten bei einer Bürgergesprächsrunde mit Bürgermeister Olaf Scholz in Lokstedt. Rund 400 DemonstratInnen kamen gemeinsam mit dem Fahrrad zu der Veranstaltung und blockierten die Kreuzung vor dem Veranstaltungsort. Den Meisten wurde jedoch der Eintritt verwehrt. Als Grund gab der Sicherheitsdienst die Überfüllung des Saals an. Der Bürgermeister wurde mit Buhrufen und Pfiffen empfangen und kurz darauf mit nacktem Protest zweier Femen-Aktivistinnen konfrontiert. „Lampedusa is everywhere“ war auf ihren Oberkörpern zu lesen, bevor die Frauen durch den Sicherheitsdienst zurückgedrängt und schließlich aus dem Saal entfernt wurden.
Auch im Rathaus wird Olaf Scholz am Mittwochnachmittag erneut mit der Thematik konfrontiert. Die Flüchtlingspolitik und Situation der Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ sind als Thema für die aktuelle Stunde angemeldet. Knapp zwei Stunden debattieren die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft letztlich über den weiteren Umgang mit den Flüchtlingen. „Sie haben bestehende Spielräume für eine humanitäre Lösung nicht genutzt, auf die etwa der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung hingewiesen hat, sie haben alle Vorschläge zurückgewiesen“, sagt Christiane Schneider (DIE LINKE) zur SPD-Fraktion. „Sie hätten gekonnt, aber Sie wollten nicht. Aber Sie können jetzt noch umkehren! Jetzt können Sie klar machen, dass das Ziel einer fairen Einzelfallprüfung das Bleiberecht ist. Sie müssen nur wollen.“ SPD Fraktionsvorsitzender Andreas Dressel berichtet von einem Treffen mit den Sprechern der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ am Dienstagabend. Zu welchen Ergebnissen dieses Gespräch geführt hat, lässt der SPD Politiker jedoch offen. „Damit ein faires Einzelprüfverfahren eingeleitet werden kann, ist es notwendig, die Personalien und Fluchtgeschichten der betreffenden Personen aufzunehmen“, betont Dressel.
Innensenator Michael Neumann kritisiert den Rassismusvorwurf gegen die Hamburger Polizei sowie Gewalt im Rahmen der Proteste in der vergangenen Woche. „Ich habe den Eindruck, dass diese Menschen immer wieder in einem Irrweg bestärkt werden“, sagt Neumann. Dabei gebe es es aus seiner Sicht auch weiterhin keine Alternative: „Ohne Identität und Fluchtgeschichte gibt es keine Zusagen und keine Einzelfallprüfung.“ Der Redebeitrag des Innensenators wird immer wieder durch Rufe von der Zuschauertribüne unterbrochen. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit unterbricht schließlich die Sitzung für einige Minuten und ordnet an, die betreffenden Personen aus dem Sitzungssaal zu entfernen. Auch auf dem Rathausmarkt kommt es zu Protesten, die jedoch durch die Polizei unterbunden werden, da hier während der Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft eine Bannmeile gilt. Während der Sitzungsunterbrechung protestiert auch die Linksfraktion mit Plakaten im Plenarsaal.
Sitzungsunterbrechung #hhbue. @linksfraktionhh hielt Plakate hoch:“Humanität heißt Bleiberecht“ #lampedusahhpic.twitter.com/14rTQGU0o5
— Kersten Artus (@Kersten_Artus) October 23, 2013
Mit Nachdruck verweisen auch die Grünen in der weiteren Diskussion auf bestehende Möglichkeiten, eine gemeinsame Lösung für die gesamte Gruppe der Lampedusa Flüchtlinge zu finden. „Ein Gruppenstatus im Rahmen einer Kontingentlösung kann definiert werden, dafür gibt es zahlreiche Beispiele“, sagt Antje Möller. Die Bevölkerung sei „erstaunlich solidarisch“ mit Flüchtlingen, umso bitterer sei es, dass die Hamburgische Bürgerschaft dies nicht schaffe. Die Fraktionen der CDU und FDP nutzen die aktuelle Stunde zum Thema Flüchtlingspolitik hingegen vor allem, um die Art der Proteste zu kritisieren. „Flaschen und Steine auf Polizisten helfen den Flüchtlingen nicht, das darf nicht wieder vorkommen“, so Karl-Heinz Warnholz (CDU). Ebenso wie Innensenator Neumann unterstellen die Abgeordneten der CDU und FDP, dass den Flüchtlingen falsche Hoffnungen gemacht würden. „Wir fordern die Unterstützer, auch der evangelischen Kirche, dazu auf, Illusionen nicht weiter zu nähren und Gewalt nicht zu dulden“, sagt Martina Kaesbach (FDP). „Die Verweigerung einer Personalienfeststellung nimmt den Flüchtlingen den Weg zu einem legalem Verfahren“, so Kaesbach weiter. Gerade diese Personenkontrollen, um die es maßgeblich bei den laufenden Protesten in der Stadt geht, kritisiert Christiane Schneider, Abgeordnete der Linken, weiterhin scharf: „Die Weisung, die die Polizei erhalten hat, gezielt abhängig von der Hautfarbe zu kontrollieren, ist rechtswidrig!“
Die Solidarität der HamburgerInnen mit den Flüchtlingen ist weiter ungebrochen. Auch im Anschluss an die Debatte in der Hamburgischen Bürgerschaft kommt es in der Innenstadt erneut zu einer Spontandemonstration mit rund 1000 TeilnehmerInnen.
Mittwochsdemonstration von #lampedusahh startet am #Hamburg #Hauptbahnhof. pic.twitter.com/hhyZuvmPvM via @fanaticHH
— Jonas Walzberg (@JonasWalzberg) October 23, 2013
Für die kommenden Tage sind weiterhin Demonstrationen und Aktionen geplant. Für den 2. November wird zu einer Großdemonstration aufgerufen. In einer Online-Petition fordern die SchülerInnen der Klasse 10b der Stadtteilschule am Hafen, die Turnhalle für die Flüchtlinge zu öffnen. Bereits mehr als 8.500 Menschen haben die Petition unterschrieben.
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