Politik

„Revolution ist um 12“

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Isabella David
@isabelladavid89

Chefredakteurin | Studentin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg | Kontakt: david@hh-mittendrin.de

Was ist eine Revolution? Wie entsteht sie? Ist alles möglich? Diesen Fragen gingen Jugendliche vergangenen Donnerstag im Rahmen der Veranstaltung „Aufbruch und Revolution … in die schöne neue Welt?“ nach. Die Jugend Akademie Neu Allermöhe (JANA) und die Junge Akademie für Zukunftsfragen organisierten den Abend im Zuge der Evangelischen Akademiewoche 2012.

Der Spruch „Frieden wächst in den Herzen unserer Kinder“ umrundet übersetzt in unterschiedlichste Sprachen einmal die Wände im Café JANA. In den Räumlichkeiten der Spielscheune der Geschichten in Allermöhe kamen 32 Jugendliche und 15 Erwachsene zusammen, um sich mit dem Thema „Revolution“ zu beschäftigen. Um mehr über das Thema erfahren, nahmen die Jugendlichen selbst das Mikrophon in die Hand. Die 17-jährige Lisa führte als Moderatorin durch den Abend. Experten und Zeitzeugen wurden live auf dem roten Sofa von den Jugendlichen interviewt.

Als erstes nahm Paul Steffen, Leiter der Jungen Akademie für Zukunftsfragen, auf der Couch Platz und stellte sich den Fragen der 16-jährigen Lisa. Der Politologe versuchte zunächst zu erklären, was eine Revolution ausmacht. „Chaos ist nicht das Ziel einer Revolution, sondern eine bessere Vorstellung einer Gesellschaftsordnung“, sagte Steffen. Vor einer Revolution zerbröckle die bisherige Herrschaft mehr und mehr. Die Menschen seien unzufrieden, hätten keinen Job und keine Nahrung. „Gibt es keinen Kanal, auf dem die Menschen diesen Unmut äußern können, greifen sie zu anderen Maßnahmen“, sagt Steffen weiter. Dazu gehöre jedoch auch eine große Portion Mut. Schließlich sei eine Revolution verbunden mit vielen Gefahren. „Oft setzen Demonstranten und Revolutionäre auch ihr Leben aufs Spiel“, erklärt Steffen. Auch nach einem Umbruch sei die Situation oft gespannt. Eine Spaltung der Gesellschaft, Konterrevolution und sogar Bürgerkrieg drohen, wenn alte Konfliktparteien unversöhnlich bleiben.

Der 20-jährige Ricardo interviewte Martin Klähn, einen Zeitzeugen der Wende. Zu DDR-Zeiten war Klähn Mitglied der Bürgerbewegung „Neues Forum“ und setzte sich für Reformen des Staates ein. Klähn erklärt, wie schwierig Kommunikation und Mobilisierung abliefen. Der Gründungsaufruf des „Neuen Forums“ musste noch mit einfachsten Mitteln vervielfältigt werden. „Schon bald tippten viele Sekretärinnen statt Briefen für den Chef den Gründungsaufruf ab“, sagt Klähn. „Wo waren Sie am 9. November 1989 und was haben Sie gedacht, als sie von der Maueröffnung erfuhren?“, fragt Ricardo seinen Interviewpartner. Klähn wurde bei den Planungen der nächsten Montagsdemonstration in Schwerin von Maueröffnung überrascht. „Mein erster Gedanke war: Ach du scheiße, jetzt machen die tatsächlich die Mauer auf“, erzählt Klähn. Es sei ein zwiespältiges Gefühl gewesen. „Wir hatten Angst, dass jetzt der Druck vom Kessel ist“, sagt Klähn über die Reformbestrebungen.

Zuletzt wird Mariam Mekiwi, eine ägyptische Regisseurin, von den Jugendlichen befragt. Die junge Frau war bei den Massendemonstrationen im Frühjahr 2011 auf dem Tahrir-Platz in Kairo dabei. „Revolution ist um 12“, sei in einer Facebook-Gruppe zu lesen gewesen. Bevor sie das erste Mal zur Demonstration auf dem Tahrir-Platz ging, traf sie einen Jungen, der sie bat seinen Namen und die Telefonnummer seines Bruders auf seinen Arm zu schreiben, damit jemand dort anrufen könne, falls ihm etwas zustoße. „Das war einer der Momente, die mich am meisten bewegt haben“, sagt Mekiwi. In einer Apotheke versuchte sie Medikamente zu bekommen, da auf dem Tahrir-Platz Tränengas gegen die Demonstranten eingesetzt wurde. Der Apotheker wollte ihr die Medikamente zuerst nicht geben. „Ich sagte ihm, dass er es sonst sein Leben lang bereuen würde“. Schließlich gab er ihr die lebensnotwendigen Arzneien. „Für mein Land erhoffe ich mir die Einhaltung der Menschenrechte“, sagt Makiwi abschließend.

Die Jugendlichen sitzen an sechs Gruppentischen und diskutieren untereinander und auch mit den Zeitzeugen. „Was lasse ich mir nicht bieten?“ Mobbing, Einschränkung der Meinungsfreiheit, Gewalt, Rassismus, Unterdrückung sind die Ergebnisse der Jugendlichen. „Was brauche ich um aufstehen?“ Vor allem die Unterstützung anderer ist allen besonders wichtig. „Wofür würde ich etwas riskieren?“ Die meisten würden für ihre Familie und ihre Freunde, für Gerechtigkeit und Dinge, die ihnen am Herzen liegen etwas aufs Spiel setzen. Die Tische sind bedeckt von Papierdecken. Im Laufe des Abends füllen sich die Decken mit den Gedanken und Bildern zum Thema Revolution.

Zuletzt zeigt eine Tanzgruppe unter der Anleitung der Choreographin Paola Osorio auf künstlerische Art und Weise, wie eine Revolution entsteht. Von kleinen vorsichtigen Schritten bis hin zu Demonstrationen und der Konfrontation mit der Staatsgewalt sowie endlich dem Umbruch, zeigen die Jugendlichen den Weg zur Revolution.

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